Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
Vom Netzwerk:
Bedenken darüber geäußert, ob die Steinplatten dem Druck des späteren Gerüsts und des darauf lastenden Gewölbes würden standhalten können. Odo beharrte jedoch darauf, die Arbeit voranzutreiben. Ezra nickte dazu, dabei auch bedenkend, dass damit die Ruhestätte von Iosefos und Dunja für die Ewigkeit versiegelt werden würde. Und wenn die Lösung für das Lehrgerüst nicht aus Unmengen von Holz bestand und tatsächlich so einfach war, wie Iosefos ihr versichert hatte, würden die Steine gewiss nicht brechen. Sie hoffte immer noch auf eine Eingebung. Denn die einzige vorstellbare Möglichkeit war bisher, über die gesamte Fläche des Achtecks einen riesigen Holzturm mit gerundetem Dach zu errichten. Nur hatte keiner eine Idee, wie das hölzerne Ungetüm hinterher wieder abgebaut werden sollte, ohne großen Schaden anzurichten. Odo hatte Einhard deshalb angefleht, die kostbaren Säulen noch nicht in die Arkaden einfügen zu lassen. Da er aber nicht wagte, dem Schreiber-Architekten den Grund seiner Weigerung zu offenbaren, blieb Einhard unnachgiebig und ließ die Säulen aufstellen.
    Nur Ezra bereitete dies keine Sorge.
    »Die Säulen werden keinen Schaden davontragen«, sagte sie zu Lucas und wiederholte die Worte ihres Vaters: »Ein riesiges Lehrgerüst ist viel zu aufwendig. Es gibt eine sehr einfache Lösung; wir müssen nur darauf kommen!«
    An der Tür zur Werkstatt wurde mittlerweile heftig geklopft. Ezra rüttelte Lucas wach. Schlaftrunken streckte dieser die Arme aus.
    »Geliebte Frau«, murmelte er. »Komm her!«
    »Still!«, warnte Ezra, warf ihm seinen Kittel zu und wich zurück. »Mach die Tür auf, Lucas. Da draußen ist jemand, der es eilig hat. Ich komme gleich nach.«
    Augenblicklich hellwach, sprang Lucas aus dem Bett. Er war jetzt ständig und immer auf alles gefasst, vor allem darauf, Ezra und ihre Identität zu schützen. Ihr Geheimnis zu bewahren bereitete ihm mehr Sorgen als der Bau der Kuppel. Also zog er rasch den Kittel an und schlug die Tür zur Kammer zu, ehe er den ungebetenen Besucher in die Werkstatt ließ.
    Ezra legte hastig das Brustband um und schlüpfte in die Haut des Architectulus. Draußen klang Einhards Stimme ungewöhnlich aufgeregt. Kein Wunder, denn seine Botschaft war eine besondere: Er kündigte das Herannahen König Karls an.
    »Wann wird er eintreffen?«, hörte Ezra Lucas fragen.
    »Heute, noch vor Einbruch der Dunkelheit«, erklärte Einhard. »Er wird mit euch über die Bauarbeiten sprechen wollen. Und über, nun ja, das könnt ihr euch denken … « Er entließ einen tiefen Seufzer, ehe er streng hinzusetzte: »Also ist eure Anwesenheit bei der heutigen Abendmahlzeit unerlässlich.« Als sich die Tür der Kammer öffnete, fügte er wesentlich freundlicher an: »Das gilt auch für dich, Ezra. Die Familie des Schmiedes wird heute Abend ohne dich auskommen müssen.«
    Ezra mühte sich, ihr Staunen zu verbergen. Woher wusste Einhard, wen sie beinahe allabendlich aufsuchte?
    Der Schreiber lächelte. »An diesem Hof bleibt nichts geheim, Ezra, und das dient auch deinem Schutz.«
    Lucas schwieg, und Ezra blickte zur Seite. Einhard verstand nicht, weshalb seine Worte ein solch spürbares Unbehagen, ja, geradezu Betroffenheit ausgelöst hatten. Wir haben doch alle unsere kleinen Geheimnisse, dachte Einhard, das ist doch nicht weiter schlimm. Vielleicht hätte ich nicht verraten sollen, dass ich über Ezras regelmäßige Besuche bei dem angeblichen Langobarden Alboin Bescheid weiß – der in Wahrheit aus dem Sachsenland stammt und deswegen unter Beobachtung unserer Aachen er Späher steht. Doch bisher hat sich der Rothaarige als sauber erwiesen; er steht in keinerlei Verbindung zu seinen Stammesgenossen im wieder einmal aufsässigen Bardengau und stiftet keine Unruhe unter den Arbeitern. Er hat sich, ganz im Gegenteil, als sehr besonnen und hilfreich erwiesen. Ohne seinen beherzten Auftritt hätte sich die Lage für Odo nach dem Sturz des Iosefos bedenklich zuspitzen können. Außerdem ist er ein herausragender Schmied, der gute Verbindung zu den auswärtigen Zimmerleuten pflegt, die mit seiner Frau verwandt sind. Eine große Familie eben, die den verwaisten Ezra in ihrem Kreis herzlich aufgenommen hat. Gut, man kann feineren Umgang pflegen als den mit einem Schmied, der sich das Feuer, das Element des Teufels, zunutze macht. Aber man muss sich doch nicht schämen, wenn man solche Leute besucht!
    Einhard fühlte sich sehr mit dem stummen Architectulus verbunden. Gleich ihm

Weitere Kostenlose Bücher