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Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Gabe der Zeichnerin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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folgte ihr. Der Gedanke, mit Liutgard und nur wenigen Begleitern still in Aachen einzureiten und sich dann sogleich im warmen Bad von den Strapazen des Rittes zu erholen, barg großen Reiz, aber eine heimliche Rückkehr durfte er den Bewohnern seiner Residenz nicht zumuten. Nach so langer Zeit hatten sie ein Recht darauf, ihren König an der Spitze seiner Familie, seines Gefolges, seiner Höflinge und Kämpfer sowie der sechzehnhundert sächsischen Geiseln im Triumph einreiten zu sehen. Schließlich war ihre Geduld auf eine harte Probe gestellt worden; sie hatten ihn schon ein halbes Jahr zuvor erwartet.
    Der harte Winter hatte Karl nämlich gezwungen, erheblich länger im Weserbergland zu verweilen, als ursprünglich geplant. Für sein Lager hatte er noch im November westlich von Karlshafen und oberhalb von Höxter mitten in der Landschaft Holzbauten errichten lassen. Er hatte das nunmehr befestigte Lager Herstelle genannt, Heristal Saxonicum , und dort zu Beginn des neuen Jahres seinen jüngsten Sohn Ludwig empfangen.
    Angesichts sich streitender Omayyaden und eines neuen fränkischen Bündnisses mit dem asturischen König Alfons dem Keuschen hatte Karl König Ludwig mit Emir Abdallah dann doch nach Süden geschickt. Es war den Versuch wert, von Aquitanien aus den feindlichen Sarazenen zumindest einige weitere Grenzorte in den Pyrenäen abzujagen, den Neffen des Emirs in Bedrängnis zu bringen und die spanische Mark als Puffer zu stärken. Mehr erwartete er nicht. Er hatte mit Schaudern an seine eigene katastrophale Niederlage von Roncesvalles zwanzig Jahre zuvor gedacht, seinen Sohn zur Seite genommen und ihm eingeschärft, sich keinesfalls auf einen Feldzug gegen die Herrscher in Córdoba einzulassen; möge Abdallah auch noch so sehr darauf drängen. Wenn der einstige Emir keine Ruhe und sich nicht mit ein paar Besitztümern zufriedengeben wolle, solle er gefälligst nach Bagdad ziehen und sich mit dem Kalifen Harun al Raschid verbünden, dem ärgsten Feind seines Neffen.
    Karl selbst hatte ursprünglich vorgehabt, das Osterfest in Aachen zu begehen, doch er musste in Herstelle ausharren, da nach dem unerbittlichen Winter erst Mitte Mai ausreichend Futter für die Pferde aufgetrieben werden konnte. Zu genau jener Zeit hatte ihn böse Kunde erreicht: Sächsische Transalbingier hatten bei einem neuerlichen Aufstand mehrere fränkische Königsboten ermordet, als diese von ihnen Rechenschaft über die Steuerabgabe verlangt hatten. Statt nach Westen reiste der König also abermals nach Osten ins Bardengau und überzog in einer Strafexpedition das Land zwischen Elbe und Weser mit Feuer und Schwert. Am Ende hatten sich die Sachsen abermals unterworfen, und der König war mit sechzehnhundert Geiseln gen Westen gezogen.
    Zu seinem blutigen Sieg hatte ihm vor allem die Unterstützung der heidnischen Abodriten verholfen, denen es in einer gewaltigen Schlacht nahe der neuen Ortschaft Bornhöved gelungen war, die aufständischen Sachsen zu schlagen.
    Als Karl später im Wendland eine Abordnung der Abodriten empfing und mit allen Ehren auszeichnete, meldete Liutgard Bedenken an: »Diese Menschen sind doch ebensolche Heiden wie die Sachsen«, meinte sie. »Ist es da recht, sie zu belohnen und sich mit ihnen derart zu verbrüdern?«
    »Gewiss«, erwiderte Karl. »Ich betrachte sie als meine Verbündeten, solange ihnen Gott hilft, siegreich gegen unseren gemeinsamen Feind vorzugehen.«
    Liutgard, die im Kloster Chelles jahrelang um ihren eigenen Glauben gerungen hatte, lehrte diese Antwort mancherlei über Politik.
    »Also würdest du auch keinen Sarazenen zum rechten Glauben bekehren wollen, der dir siegreich im Kampf gegen die Omayyaden in Córdoba beisteht?«
    Karl hatte gelacht. »Ich möchte alle Menschen zum rechten Glauben führen, liebe Frau, Abodriten im Norden und Abbasiden in Bagdad eingeschlossen. Doch wenn sich die Hand des allmächtigen Gottes dieser Völker zum Wohl und Ruhm der Christenheit bedient, wäre es doch vermessen von mir, den Zeitpunkt ihrer Bekehrung selbst zu bestimmen. Wie in allem vertraue ich auch da auf die Weisheit des Herrn.«
    Und nun hatte er es eilig, an den Ort zurückzukehren, wo er dem Herrn eine Kirche errichten ließ, die dank ihrer gewaltigen Kuppel deutlicher als alle anderen Gotteshäuser nördlich der Alpen von Wohl und Ruhm der Christenheit künden sollte.
    Wenn es denn diese Kuppel jemals geben würde. Die Nachricht vom Tode des aus Bagdad gesandten Baumeisters hatte Karl zutiefst

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