Die Gabe des Commissario Ricciardi
trug. Ich hab' deine Frau aus dem Weg geräumt, mit einer einzigen Bewegung. Ich tat's nicht gern, aber ohne Reue. Dann bin ich zu dir in dein Zimmer gekommen mit dem blutigen Messer, von dem es auf den Boden tropfte. Du hast mich angesehen und gelacht, furchtlos. Du hast gesagt, das Leben ist nun mal so, jeder nimmt sich, was er kann. Das sagtest du schon immer.
Und ich habe zugestoßen. Einmal, zehnmal, hundertmal. Die Stöße waren Stiche, wie die auf dem Körper des heiligen Sebastian, erinnerst du dich? Wir hatten uns so oft gefragt, warum sie ausgerechnet ihn ausgesucht hatten.
Zum Schluss warst du tot, lachtest aber noch. Ich bin aufgewacht und an meinen Händen war kein Blut.
Gott, was für ein schöner Traum. Es wird der Wein gewesen sein.
XV
Den Worten des Konsuls folgte betretenes Schweigen. Vom Fenster her erklang der Ton einer Sirene, die eine Ankunft oder Abfahrt ankündigte.
Maione ließ den Mund zuschnappen und schluckte. Dann sagte er:
– Was soll das bedeuten? Was wissen Sie vom Unfall des Kommissars?
Freda ging zum Schreibtisch, nahm ruhig Platz, setzte einen Kneifer mit goldenem Rahmen auf, nahm ein Blatt zur Hand und las halblaut vor:
– Also, was hätten wir denn hier: Raffaele Maione, einundfünfzig Jahre. Seit fünf Jahren Brigadiere. Drei Belobigungen, ein Lob, zwei Gratifikationen. Meinen Glückwunsch, ein hervorragendes Dienstzeugnis. Verheiratet mit Frau Lucia Caputo, Vico Concordia 16. Fünf lebende Kinder, drei Jungen, zwei Mädchen. Der älteste, Luca, ebenfalls Polizist, ist vor dreieinhalb Jahren im Dienst gestorben, während eines Einsatzes. Das tut mir sehr leid, mein Beileid. Schwächen: Isst gern und viel und trinkt maßvoll. Hier steht auch noch, Sie unterhalten eine Freundschaft zu einer Frau im Vico del Fico, der im Frühling dieses Jahres übel mitgespielt wurde – nun ja, aber eben nur eine Freundschaft.
Maione war sprachlos. Er schaute den Konsul mit weit aufgerissenen Augen an und atmete schwer. Der Mann fuhr fort:
– Sie sind der Lieblingskollege, der einzige, wie's scheint, von Kommissar Luigi Alfredo Ricciardi, einunddreißig Jahre alt, aus Fortino in der Provinz Salerno nahe der Lucania. Ihre Daten, Commissario, sind noch interessanter. Sie sind reich, sehr reich. Aber um Ihr Vermögen, Ihre Ländereien, Häuser und Grundstücke in Ihrem Geburtsort kümmert sich Rosa Vaglio, Ihre Kinderfrau, die bei Ihnen lebt. Trotzdem werden Sie von ein paar Gutsverwaltern beklaut – die gute Frau kann nicht alles mitbekommen. Ich habe die Namen hier, wenn Sie wollen, kann ich sie Ihnen geben.
Ricciardi sah ihm in die Augen, völlig ausdruckslos, seine Hände umfassten die Armlehnen des Stuhls. Freda fuhr fort:
– Brillante Ermittlungserfolge, kein Vermerk über Freundschaften mit Kollegen, man mag Sie nicht besonders, wie's scheint, mit Ausnahme des hier anwesenden Brigadiere Maione. Keinerlei Karriereabsichten, sehr zur Freude Ihres Vorgesetzten, Vizepräsident Garzo, eines ziemlichen Versagers.
Maione, der sich allmählich erholte, brummelte:
– Steht das auch da?
– Auch das, ja. Dann wäre da auch noch die Freundschaft … Hingabe wohl eher … der Signora Lucani Vezzi, einer Freundin der Familie Mussolini, ehemals Opernsängerin. Das hilft Ihnen, im Gegensatz zu Ihrer Freundschaft (hier sogar rot unterstrichen) zu Doktor Bruno Modo, der im Verdacht steht, ein militanter Antifaschist zu sein, aber dennoch ein verdienter Arzt im Pilgerkrankenhaus. Positiv hervorzuheben die Lösung berühmter Fälle, wie die Morde an dem Tenor Vezzi, dem Ehemann der oben genannten Signora, an der Herzogin Musso di Camparino et cetera. Alles richtig, nehme ich an?
Ricciardis Antwort erfolgte prompt:
– Wozu diese Flut von Informationen? Was möchten Sie uns damit sagen?
Freda hielt seinem Blick lange stand, dann antwortete er:
– Dieser Bericht, an mich persönlich adressiert, wurde von einem dunkel gekleideten Herrn vor etwa einer Stunde abgegeben. Er sagte dem Soldaten an der Pforte, dass Sie binnen vierzig Minuten hier eintreffen würden, und Sie sind genau achtunddreißig Minuten nach Ablieferung des Dokuments angekommen. Mündlich hat der Mann deutlich gemacht, es sei besser, Sie sofort zu empfangen. So machen sie es jedes Mal, etwa um auf eine zu überprüfende Rechtswidrigkeit hinzuweisen oder wenn wir ein augenscheinlich legales, aber nicht ganz koscheres Geschäft verfolgen sollen. In anderen Fällen sollen wir nur eine Durchfahrt oder eine Warenbewegung
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