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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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erfassen, den Namen einer Person melden, die zu einem bestimmten Ziel aufbricht, oder von jemandem, der den Hafen passiert.
    Maione war bestürzt:
    – Und die sagen Ihnen nicht mal den Grund? Wer sind die denn? Diese Leute, die über jeden Bescheid wissen?
    – Explizit hat mir das nie jemand gesagt, Brigadiere. Weder mir noch den übrigen Oberbefehlshabern. Offiziell gibt es sie nicht und wird es sie nie geben, in Wahrheit aber halten sie sehr viele Fäden in der Hand. Commissario, ich wollte Ihnen nur klarmachen, dass dieser Mord, der sich hier in unserem Haus ereignet hat, noch viel schlimmer ist, als es scheint. Weil diese Tat sich im Grunde gegen unsere Uniform richtet und damit gegen das Regime, das sie repräsentiert.
    Ricciardi blieb hartnäckig:
    – Und was soll das heißen? Inwiefern sollte das Wesen des Verbrechens unsere Ermittlungen beeinflussen?
    Freda spielte mit seinen Augengläsern und antwortete schließlich:
    – Falls das Verbrechen, wie wir glauben, mit Garofalos Arbeit zusammenhängt, der Ausübung seiner Funktion, so ersuche ich Sie, es uns mitzuteilen. Damit wir die Chance haben, die Dinge in Ordnung zu bringen, und nach außen nicht der Eindruck entsteht, es gäbe Schwachstellen in unserer Handlungsfähigkeit. Denn das wäre desaströs.
    Ricciardi schüttelte den Kopf:
    – Und was würden Sie dann tun, Herr Konsul? Sollen wir Ihnen oder dem dunkel gekleideten Herrn, der Ihnen die Depeschen bringt, die Chance geben, der Justiz zuvorzukommen und einen Prozess zu verhindern, der einen öffentlichen Tumult auslösen könnte?
    Freda schlug ganz plötzlich mit der Faust auf den Tisch, womit er Schreibfedern und Tintenfass zum Klirren brachte. Maione machte einen kleinen Satz auf dem Stuhl, Ricciardi zuckte wie üblich nicht mit der Wimper.
    – Sie wollen also nicht verstehen! Dann erkläre ich es Ihnen: Das hier ist der wichtigste Anlaufhafen der Nation, der verkehrsreichste in Bezug auf Passagiere und Waren. Wir kontrollieren die Landungsstege, die Lager, den Wasserspiegel des angrenzenden Wassers, die ein- und ausfahrenden Dampfer. Wir kontrollieren alle Materialien vor der Einschiffung, einschließlich der Eisenbahnwaggons. Wir führen Aufsicht über die Besatzungen und Passagiere und tragen zur öffentlichen Sicherheit bei der Ein- und Ausschiffung bei. Wir sind für alle Ausländer der erste Kontakt mit den Streitkräften der Nation und der letzte, wenn sie wieder abreisen. Die Ermordung eines unserer Offiziere ist kein Straßendelikt, sondern ein Staatsproblem!
    Ricciardi änderte seinen Ton nicht:
    – Und was heißt das? Für uns ist jeder Ermordete etwas sehr Schlimmes. Jedes Mordopfer schreit nach Gerechtigkeit und gebietet uns, die Dinge in Ordnung zu bringen. Wenn Sie uns loswerden wollen, brauchen Sie bloß in Rom anzurufen und die Ermittlungen der Militärpolizei überantworten zu lassen. Warum tun Sie das nicht?
    Freda hatte seine Selbstsicherheit verloren.
    – Sie wissen nur zu gut, dass das nicht möglich ist! – Er errötete. – Auf dem Papier sind meine Männer Freiwillige, die Zivilisten gleichstehen. Die Partei hat sich so entschieden, um nicht an die Regeln für die Rekrutierung des Heeres und der Marine gebunden zu sein. Außerdem wurde Garofalo nicht in der Kaserne getötet, sondern bei sich zu Hause in seinem Bett. Das entzieht den Mord vollkommen unserer Gerichtsbarkeit, zum Teufel!
    Ricciardi wollte gerne etwas versöhnlicher sein. Schließlich war der Konsul ihnen gegenüber sehr offen gewesen, als er ihnen seine eigene schwierige Position darlegte.
    – Seien Sie unbesorgt. Ich versichere Ihnen, dass Sie umgehend benachrichtigt werden, falls und sobald wir die Schuldigen fassen, Sie haben mein Wort. Aber erst nach der Festnahme, wohlgemerkt, nicht eher. Ich möchte keinen Schuldigen vorfinden, der Selbstmord begangen hat. Danach klären Sie die Angelegenheit mit der Führungsspitze des Präsidiums; wie ich die kenne, werden Sie zweifellos zu einer Einigung gelangen. Die Mitteilungen an die Presse und an die Öffentlichkeit interessieren mich nicht.
    Maione warf ihm einen überraschten Blick zu. Er war schon daran gewöhnt, die Strategien des Kommissars nicht augen
blicklich zu verstehen, aber diese hier erschien ihm zu weit weg von dessen Grundsätzen, die er kannte und teilte. Man stelle sich das nur vor: Garzo würde sein Glück kaum fassen können und die Mörder ohne Weiteres der Geheimpolizei oder wem auch immer übergeben, solange jemand Höherstehendes ihm

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