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Die Gabe des Commissario Ricciardi

Die Gabe des Commissario Ricciardi

Titel: Die Gabe des Commissario Ricciardi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maurizio de Giovanni
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dem aus man auf den Hafen sah; ein paar Schiffe wurden gerade entladen.
    – Commissario, was wissen Sie über unser Korps? Über die Hafenmiliz, meine ich?
    Ricciardi sah zu Maione und zuckte dann mit den Schultern.
    – Das, was jedermann weiß. Sie überwachen das Verladen und Entladen des Frachtguts und den Fischfang. Sie üben Tätigkeiten der Kriminalpolizei aus, sowohl im Hafen als auch an der Küste.
    – Nein, das meinte ich nicht. Wissen Sie, wie wir uns zusammensetzen? Also wer wir sind?
    – Ich weiß, dass junge Männer sich aussuchen können, anstelle des Wehrdienstes zur Miliz zu gehen. Dass die Mitglieder der Miliz einen Tagessold erhalten, was die Rekrutierung leichter macht. Dass es ziemlich selektive Auswahlkriterien gibt.
    Freda schaute weiter aufs Meer.
    – Ja, richtig. Stimmt alles. Aber da ist noch etwas anderes. – Er drehte sich zu seinen Gästen um, blieb aber am Balkon stehen. – Sie wissen bestimmt, dass unser Korps noch sehr jung ist, erst dreiundzwanzig gegründet. Direkt nach dem Marsch auf Rom. »Mussolinis Militärprothese« nannte ein Journalist uns einmal. Natürlich schreibt dieser Journalist heute nicht mehr.
    – Kann ich mir denken, murmelte Maione.
    Freda lächelte.
    – Nun ja. Der Duce sagte, dass der Squadrismus, der zum Marsch auf Rom und zum Entstehen der Bewegung geführt hat, nicht sterben dürfe, und gründete unser Korps, das später in die verschiedenen Bereiche unterteilt wurde: Forst, Eisenbahn, Post und Telegraphie. Und wir, die Hafenmiliz.
    Ricciardi fragte sich, worauf der Konsul wohl hinauswollte.
    – Es wurde entschieden, dass man zur Führung des Korps
neben den Freiwilligen, die oft keinerlei militärische Erfahrung haben, und den Faschisten der ersten Stunde, voller Eifer, aber unter bestimmten Aspekten auch gefährlich, eben richtige Soldaten brauchte. Ich zum Beispiel war ein Hauptmann der Kriegsmarine. Ich befehligte einen Kreuzer, mein Leben spielte sich da draußen ab, auf dem Meer. Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr mir die Luft auf dem offenen Meer fehlt.
    Maione fragte:
    – Wenn die Frage gestattet ist, Herr Konsul, warum haben Sie den Posten akzeptiert?
    Als Freda antwortete, blickte er wieder aufs Meer.
    – Was stellen Sie sich vor, Brigadiere! Bestimmte … Vorschläge kann man nicht ablehnen. Man sagte mir klipp und klar, dass ich in jedem Fall an Land versetzt werden würde, in eine Verwaltungsposition. Und dass meine Vergütung, wenn ich annähme, ausreichen würde, um meine Familie mehr als gebührend zu versorgen. Es hieß, es sei nur für ein paar Monate, höchstens ein Jahr, danach könne ich wieder zurück aufs Meer in eine angesehenere Position. Das ist jetzt sechs Jahre her und es ist keinerlei Änderung in Sicht.
    Maione und Ricciardi sahen sich erneut an: Sie hatten noch nicht einmal damit gerechnet, vorgelassen zu werden, und nun schüttete der Oberbefehlshaber der Legion ihnen sogar sein Herz aus.
    – Damit möchte ich Ihnen sagen, dass wir kein einfaches Freiwilligenkorps sind und auch kein Hilfsapparat der Hafenbehörde. Mit uns arbeiten andere … Organisationen zusammen, die denselben hohen Funktionären in Rom unterstellt sind. Wir haben sehr spezielle Aufgaben, die nicht alle kennen.
    Wieder fragte sich Ricciardi, worauf der Konsul hinauswollte.
    – Bitte entschuldigen Sie, wenn ich Sie unterbreche, aber unser Besuch zielt nicht auf die Untersuchung Ihrer Aufgaben ab, auch nicht der Aufgaben des verstorbenen Garofalo. Wir wollten nur ein paar Fragen stellen, um herauszufinden, ob jemand ihm gegenüber irgendeinen Groll hegte. Das ist alles.
    Freda nickte, zum Meer gewandt. Dann drehte er sich um und blickte den Kommissar ausdruckslos an.
    – Wie geht es Ihnen, Ricciardi? Ihr Unfall Anfang November hat keine Spuren hinterlassen, außer der Verletzung am Hinterkopf, die Doktor Modo mit sechs Stichen genäht hat?

XIV
    Heute Nacht habe ich geträumt. Wahrscheinlich war der Wein schuld.
    Ich hab' geträumt, dass ich deine Treppe hochgegangen bin, der kauzige Pförtner war wieder mal betrunken eingeschlafen und hat mich nicht reinkommen sehen. Meine Schritte waren leise, als wär' ich barfuß gewesen.
    Ich habe an deine Tür geklopft, deine Frau hat geöffnet, sie hat mich erkannt und mich angelächelt. Ihr Lächeln hat mich vielleicht wütend gemacht – als ob sie nicht wüsste, was passiert war, was du mir angetan hattest.
    Ich hab' geträumt, dass ich ein Messer in der Hand hatte, dasselbe, das ich im Dienst

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