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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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seinem Haushalt töten wollte. Ein wagemutiger Kontrakt, und er fragte sich, wer die Nerven hatte, ihn anzubieten -zweifellos ein anderer Adliger. Aber der Mut, einen solchen Kontrakt anzubieten, war nichts im Vergleich zu dem Mut Rallicks, ihn anzunehmen.
    Wie auch immer, die Warnung des Assassinen wog schwer genug, um jede Idee, Orrs Stadthaus auszurauben, beiseite zu wischen; zumindest für den Augenblick. Crokus steckte die Hände in die Taschen. Während er so dahinschlenderte und seine Gedanken sich in einem Irrgarten aus Sackgassen verhedderten, runzelte er plötzlich die Stirn, als ihm bewusst wurde, dass sich seine Hand tief in seiner Tasche um eine Münze geschlossen hatte.
    Er zog sie heraus. Ja, es war die Münze, die er in jener Nacht der Morde gefunden hatte. Er erinnerte sich an ihr unerklärliches Erscheinen, wie sie plötzlich klirrend vor seinen Füßen aufgetaucht war, einen Augenblick bevor der Armbrustbolzen des Assassinen über ihn hinweggezischt war. Im hellen Licht des Morgens nahm sich Crokus jetzt die Zeit, sie genauer zu untersuchen. Die Seite, die er gerade betrachtete, zeigte das Profil eines jungen Mannes mit amüsiertem Gesichtsausdruck und einer Art Schlapphut. Winzige, runenähnliche Buchstaben liefen außen am Rand entlang - es war eine Sprache, die der Dieb nicht erkannte, da sie sich völlig von der ihm vertrauten Daru-Schreibschrift unterschied.
    Crokus drehte die Münze um. Wie merkwürdig! Ein zweiter Kopf; diesmal der einer Frau, die in die andere Richtung sah. Es waren auch andere Schriftzeichen eingraviert, nämlich solche, die wie eine Art nach links geneigter Schraffur wirkten. Die Frau sah jung aus, und ihre Gesichtszüge ähnelten denen des Mannes. Ihr Gesichtsausdruck wirkte jedoch nicht amüsiert, sondern in den Augen des Diebes eher kalt und unerbittlich.
    Das Metall war alt, hier und dort mit rauem Kupfer gesprenkelt, und in den Kratzern um die Gesichter herum konnte man Zinnspuren erkennen. Die Münze war überraschend schwer, aber Crokus nahm an, dass ihr Wert nur in ihrer Einzigartigkeit lag. Er hatte schon Münzen aus Callous, Genabaris und Amat El gesehen, und einmal sogar die gefurchten Barren der Seguleh, doch keine davon hatte wie diese hier ausgesehen.
    Woher war sie gekommen? Hatte sie sich irgendwo in seinen Kleidern verfangen, oder hatte er sie losgetreten, als er das Dach überquert hatte? Gehörte sie möglicherweise zum Schatz des D'Arle-Mädchens? Crokus zuckte die Schultern. Wie auch immer, sie war genau im richtigen Moment aufgetaucht.
    Mittlerweile war er am Osttor angekommen. Direkt außerhalb der Stadtmauer und entlang der Straße, die Jatems Sorge genannt wurde, kauerte die Hand voll heruntergekommener Gebäude namens Sorgenstadt. Hier lag sein Ziel. Solange es hell war, blieb das Tor offen, und eine nur langsam vorankommende Reihe von mit Gemüse beladenen Karren verstopfte den engen Durchgang. Während er sich durch das Gewühl wand, konnte er feststellen, dass sich unter ihnen auch die ersten Wagenladungen mit Flüchtlingen aus Fahl befanden -jene, die es geschafft hatten, sich während der Schlacht durch die Linien der Belagerer zu stehlen, die Rhivi-Ebene und das Gadrobi-Hügelland zu durchqueren und schließlich auf Jatems Sorge anzukommen. Ihre Gesichter kündeten von tiefster Verzweiflung, über die sich eine betäubende Schicht aus Erschöpfung gelegt hatte; sie betrachteten die Stadt und ihre dürftigen Verteidigungsanlagen mit müden Augen, und selbst wenn sie dabei feststellten, dass sie sich mit ihrer Flucht nur ein wenig Zeit erkauft hatten, so waren sie doch viel zu erschöpft, um sich deswegen Sorgen zu machen.
    Ziemlich beunruhigt von dem, was er da sah, hastete Crokus durch das Tor und weiter zu Sorgenstadts größtem Gebäude, einer ausufernden Taverne, die ganz aus Holz bestand. Über der Tür hing ein Schild, auf das vor vielen, vielen Jahren jemand einen dreibeinigen Widder gemalt hatte. In den Augen des Diebes hatte dieses Schild nun wirklich nicht das Geringste mit dem Namen der Taverne - Ebertränen - zu tun. Noch immer die Münze in der Hand, trat Crokus ein und blieb gleich hinter dem Eingang stehen.
    Ein paar Köpfe drehten sich herum, und ausdruckslose Gesichter wandten sich ihm flüchtig zu, doch das Interesse der Gäste kehrte schnell wieder zu den Bechern vor ihnen zurück. Gegenüber, in einer düsteren Ecke, erkannte Crokus eine vertraute Gestalt, die die Hände über den Kopf hielt und heftig herumfuchtelte. Ein

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