Die Gärten des Mondes
schon die frische Morgenbrise genossen?«
Baruk warf einen Blick zum Fenster. »Unglücklicherweise ist die Luft vor meinem Fenster ziemlich staubig geworden.«
Kruppe schwieg. Seine Arme hingen einen Augenblick schlaff herunter, dann griff er sich in einen Ärmel und brachte ein Tuch zum Vorschein. Er betupfte sich die Stirn. »Ah, ja, die Straßenarbeiter. Kruppe kam an ihnen vorbei, als er das Haus betrat. Ein ziemlich streitlustiger Haufen, denkt Kruppe. In der Tat, etwas rau, aber das ist wohl kaum außergewöhnlich bei Leuten, die solche niedrigen Arbeiten ausführen.« Baruk wies auf einen Stuhl.
Mit einem glückseligen Lächeln sagte Kruppe: »Was für ein heißer Tag«, und beäugte dabei die Karaffe mit Wein auf dem Kaminsims.
Ohne darauf einzugehen, trat Baruk nochmals ans Fenster, stellte sich mit dem Rücken davor. Er betrachtete seinen Besucher und fragte sich, ob er jemals einen Hauch von dem zu Gesicht bekommen würde, was sich hinter Kruppes seltsamem Verhalten verbarg. »Was habt Ihr gehört?«, fragte er sanft.
»Was Kruppe gehört hat? Was hat Kruppe nicht gehört!«
Baruk zog missbilligend eine Augenbraue hoch. »Geht es auch etwas knapper?«
Kruppe rutschte auf dem Stuhl hin und her und rieb sich die Stirn. »Diese Hitze!« Als er sah, wie Baruks Gesichtszüge sich verhärteten, beeilte er sich fortzufahren. »Also, was die Neuigkeiten angeht ...« Er beugte sich vor, und seine Stimme sank zu einem Flüstern herab. »Man erzählt sich so allerhand in den Winkeln der Schenken, den dunklen Türeingängen nasskalter Straßen, den schändlichen Schatten dunkler Nächte, den -«
»Kommt endlich zur Sache!«
»Aber ja, natürlich. Also, Kruppe hat Wind von einem Gerücht bekommen. Ein Krieg der Assassinen soll im Gange sein. Man erzählt sich, dass die Gilde Verluste erleidet.«
Baruk drehte sich um. Seine Augen fixierten irgendeinen Punkt unten auf der Straße. »Und wo stehen dabei die Diebe?«
»Auf den Dächern wird es allmählich eng. Kehlen werden durchgeschnitten. Die Gewinne sind in den Keller gerutscht.«
»Wo ist Rallick?«
Kruppe blinzelte. »Er ist verschwunden«, sagte er. »Kruppe hat ihn schon seit Tagen nicht mehr gesehen.«
»Dieser Krieg der Assassinen ist keine interne Angelegenheit der Gilde?«
»Nein.«
»Weiß man denn, wer diese neue Macht ist?« »Nein.«
Baruk starrte noch immer aus dem Fenster. Unten schienen die Arbeiter mehr Zeit mit Streitereien als mit Arbeiten zu verbringen. Ein Krieg der Assassinen könnte Ärger bedeuten. Vorcans Gilde war stark, doch das Imperium war stärker - falls es sich bei dieser neuen Macht tatsächlich um Klauen handelte. Aber irgendetwas an der ganzen Sache war höchst merkwürdig. In der Vergangenheit hatte die Imperatrix sich der Dienste der lokalen Gilden versichert, hatte sogar Mitglieder für die Klaue angeworben. Der Alchemist konnte keinen Sinn in diesem Krieg erkennen, und diese Tatsache beunruhigte ihn weit mehr als der Krieg an sich. Er hörte ein Geräusch hinter sich und erinnerte sich wieder an seinen Agenten. Er drehte sich um und lächelte. »Ihr könnt jetzt gehen.«
In Kruppes Augen blitzte es in einer Weise auf, die Baruk zusammenzucken ließ. Der fette Mann erhob sich in einer einzigen, fließenden Bewegung. »Kruppe hat noch mehr zu erzählen, Meister Baruk.«
Verwirrt gab der Alchemist ihm mit einem Nicken zu verstehen, dass er fortfahren könne.
»Die Geschichte ist leider anstrengend und verworren«, sagte Kruppe und gesellte sich zu Baruk ans Fenster. Sein Taschentuch war verschwunden. »Kruppe kann nur Mutmaßungen anstellen, so gut eben ein Mann mit unzähligen Talenten mutmaßen kann. In Augenblicken der Muße, bei Glücksspielen und so weiter. In der Aura der Zwillinge kann ein Adept Dinge hören, sehen, riechen und fühlen - Dinge, die so substanzlos sind wie der Wind. Ein Hauch von Lady Glück. Das Gelächter des Lords als bittere Warnung.« Kruppe warf dem Alchemisten einen raschen Blick zu. »Könnt Ihr mir folgen, Meister?«
Die Augen unverwandt auf das runde Gesicht des fetten Mannes gerichtet, sagte Baruk leise: »Ihr sprecht von Oponn.«
Kruppe sah wieder hinaus auf die Straße. »Vielleicht. Vielleicht ist alles auch nur eine böse Finte, um solch einen Narren wie Kruppe in die Irre zu führen ...«
Narr? Baruk lächelte innerlich. Dieser Mann ist alles andere als ein Narr.
»... wer kann das schon sagen?« Kruppe hob eine Hand. Im Handteller lag eine flache Scheibe aus Wachs. »Ein
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