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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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zu halten?«
    Rallick drehte sich um und stapfte zu einer niedrigen Terrasse, die einst auf den Garten hinausgeführt hatte. Weiße Steinbänke kauerten wie die gefleckten Knochen eines gewaltigen Monsters im trockenen gelben Gras. Als Murillio zu dem Assassinen trat, sah er, dass unterhalb der Terrasse ein schlammiger, mit Algen übersäter Teich lag. Frösche quakten, und Mücken schwirrten summend durch die laue Luft. »In manchen Nächten«, sagte Rallick, während er Blätter von einer der Bänke wischte, »bevölkern Gespenster den Eingang. Du kannst geradewegs zu ihnen hingehen, dir ihre Klagen und Drohungen anhören. Sie wollen alle raus.« Er setzte sich hin.
    Murillio blieb stehen, den Blick auf den Turm gerichtet. »Was ist mit Linter selbst? Ist sein Geist auch dabei?«
    »Nein. Der Verrückte schläft drinnen; zumindest erzählt man sich das. Die Gespenster sind in den Albträumen des Hexers gefangen -er hält sie fest, und noch nicht einmal der Vermummte kann sie an seine kalte Brust ziehen. Willst du wissen, wo die Gespenster hergekommen sind, Murillio?« Rallick grinste. »Geh in den Turm, und du wirst es aus erster Hand erfahren.«
    Als Rallick ihn überrascht hatte, war Murillio gerade im Begriff gewesen, den Turm zu betreten. »Danke für die Warnung«, schnappte er sarkastisch, zog den Umhang fester um sich und setzte sich.
    Rallick wedelte mit der Hand vor seinem Gesicht herum, um die Mücken zu verjagen. »Und?«
    »Ich habe sie«, sagte Murillio. »Lady Orrs vertrauenswürdigster Diener hat sie mir heute Nachmittag überbracht.« Er zog eine Bambusröhre, die mit einer blauen Schleife umwickelt war, aus seinem Umhang. »Zwei Einladungen zum Fest von Lady Simtal, wie versprochen.«
    »Gut.« Der Assassine warf seinem Freund einen kurzen Blick zu. »Und, kriegt Kruppe schon große Ohren?«
    »Noch nicht. Ich hab ihn heute Nachmittag getroffen. Es sieht so aus, als ob Crokus ein paar bizarre Forderungen gestellt hätte. Andererseits«, fügte Murillio mit finsterem Gesicht hinzu, »wer weiß schon, wann Kruppe Wind von etwas bekommt? Wie auch immer, bisher deutet nichts darauf hin, dass der schlüpfrige kleine Gnom den Verdacht hegen könnte, wir hätten etwas Besonderes vor.«
    »Was hast du da gerade über Crokus gesagt - von wegen bizarre Forderungen oder so?«
    »Das ist schon eine eigentümliche Sache«, sagte Murillio nachdenklich. »Als ich heute Nachmittag ins Phoenix kam, hat Kruppe ihm gerade die Beute seines letzten Raubzugs zurückgegeben. Andererseits hat Crokus sich ganz sicher keinen neuen Hehler gesucht -davon hätten wir alle gehört.«
    »Das war doch aus einem Stadthaus, oder nicht? Aus welchem denn?«, fragte Rallick.
    »Aus dem Haus der D'Arles«, antwortete Murillio. Plötzlich hob er die Brauen. »Beim Kuss von Gedderone! Das D'Arle-Mädchen! Die mit den roten Bäckchen - auf so ziemlich jeder Festlichkeit wird sie rumgezeigt, und sämtliche aufgeputzten Gecken stehen sich ihretwegen die Beine in den Bauch. Oh, nein! Unser kleiner Dieb hat sich in das Mädchen verknallt und will jetzt ihren Schmuck selbst behalten. Da hat er sich von all den hoffnungslosen Träumen, die ein Junge haben kann, aber auch wirklich den schlimmsten ausgesucht.«
    »Vielleicht«, sagte Rallick leise. »Vielleicht aber auch nicht. Wenn man seinem Onkel nun einen entsprechenden Hinweis gibt...«
    Murillios schmerzliche Miene hellte sich auf. »Ein kleiner Anstoß in die richtige Richtung? Endlich! Mammot wird hocherfreut sein -«
    »Geduld, Geduld«, wiegelte Rallick schnell ab. »Ein schwärmendes Herz reicht noch lange nicht aus, einen jugendlichen Dieb in einen Mann von Stand und Bildung zu verwandeln.«
    Murillio runzelte die Stirn. »Oh, entschuldige, dass ich angesichts der Aussicht, dem Burschen das Leben retten zu können, so ausgelassen war.«
    Rallick lächelte sanft. »Solch ein Vergnügen sollte man niemals bedauern.«
    Murillio seufzte. Der leicht ironische Ton des Assassinen ließ ihn seinen Sarkasmus vergessen. »Es ist viele Jahre her, seit wir zuletzt so viele hoffnungsvolle Unternehmungen gleichzeitig angegangen sind«, sagte er leise.
    »Der Pfad zu einer von ihnen wird blutig sein, vergiss das nicht«, entgegnete Rallick. »Aber du hast Recht, es ist wirklich lange her. Ich frage mich, ob Kruppe sich überhaupt an jene Tage erinnert?«
    Murillio schnaubte. »Kruppe überarbeitet seine Erinnerungen mindestens jede Stunde einmal. Alles, was ihn zusammenhält, ist die Furcht,

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