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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Entsetzen sich gelegt, war außer Sicht geraten. So etwas wie Normalität kehrte zurück, als Bauern und Händler aus ihren Verstecken auftauchten, um die Bedürfnisse der Besetzten und der Besatzer gleichermaßen zu befriedigen. Malazanische Heiler waren durch die Stadt geschwärmt, hatten die Entstehung von Seuchen verhindert und gewöhnliche Leiden behandelt. Sie hatten keinen einzigen Bürger der Stadt abgewiesen. Und der langsame, genau geplante Gesinnungswandel nahm seinen Lauf.
    Bald würde, wie Flickenseel wusste, die Säuberung des Adels stattfinden, die die habgierigsten, unbeliebtesten Adligen an den Galgen bringen würde. Und die Hinrichtungen würden öffentlich stattfinden. Eine erprobte und zuverlässige Prozedur, und auf dieser Welle niederster Rachegefühle würde die Rekrutierung zunehmen -wobei jede Hand von einer selbstgerechten Schadenfreude befleckt sein würde. Indem Schwerter in diese Hände gedrückt wurden, würde die Verschwörung vollkommen, alle Beteiligten wurden eingeschlossen, wenn es der Sache wegen - der Sache des Imperiums wegen - zur Jagd auf das nächste Opfer ging.
    Sie hatte dies schon in hunderten von Städten erlebt. Gleichgültig, wie gütig die ursprünglichen Herrscher, wie großzügig die Adligen auch gewesen sein mochten, das Wort des Imperiums, mit dem Nachdruck der Macht vorgetragen, verwandelte die Vergangenheit in dämonische Tyrannei. Ein trauriger Kommentar zum Menschsein, eine bittere Lektion, die besonders abscheulich wurde, da sie ihren eigenen Teil dazu beitrug.
    Vor ihrem geistigen Auge erschienen die Gesichter der Brückenverbrenner, ein merkwürdiger Gegensatz zu dem Zynismus, mit dem sie alles um sich herum betrachtete. Da war Elster, ein Mann, der bis zum Äußersten getrieben wurde, oder besser: ein Mann, über den es von allen Seiten hereinbrach - der Zusammenbruch von Überzeugungen, der Verrat von Treue -, für den als letzter Anspruch an Menschlichkeit nur sein Trupp übrig geblieben war, eine schrumpfende Hand voll der wenigen Menschen, die noch irgendeine Rolle spielten. Aber er hielt aus, und er schlug zurück, schlug hart zurück. Die Vorstellung gefiel ihr - nein, sie wollte fest daran glauben -, dass er am Ende siegen könnte, dass er überleben und seine Welt vom Imperium befreit sehen würde.
    Und dann der Schnelle Ben und Kalam, die versuchten, die Verantwortung von den Schultern ihres Sergeanten zu nehmen. Es war ihre einzige Möglichkeit, die Zuneigung zu zeigen, die sie ihm gegenüber empfanden, obwohl sie es niemals so ausgedrückt hätten. Bei den anderen war es ebenso - Leida einmal ausgenommen -, doch sie waren von einer Verzweiflung umgeben, die Flickenseel fast schon liebenswert fand, von dem beinahe kindlichen Wunsch, Elster von der Last zu befreien, die der Platz in der Welt, den sie eingenommen hatten, mit sich brachte.
    Sie reagierte auf diese Männer mit weitaus tiefer empfundenen Gefühlen, als sie es sich hätte vorstellen können, tief aus dem Innersten heraus, von dem sie lange geglaubt hatte, dass es ausgebrannt wäre, die Asche schweigend in Trauer verstreut - ein Innerstes, das kein Magier und keine Magierin sich je erlauben konnte. Flickenseel erkannte die Gefahr, doch das machte alles nur noch verführerischer.
    Bei Leida war es anders, und sie stellte fest, dass sie es vermied, auch nur über die junge Frau nachzudenken.
    Damit blieb nur noch Paran übrig. Was sollte mit dem Hauptmann geschehen? Im Augenblick saß er hinter ihr auf dem Bett und fettete sein Schwert - Zufall - ein. Sie hatten nicht allzu viel miteinander gesprochen, seit sie vor vier Tagen erwacht war. Dazu herrschte noch immer zu viel Misstrauen zwischen ihnen.
    Vielleicht war dieses Geheimnis, diese Unsicherheit schuld daran, dass sie sich so zueinander hingezogen fühlten. Eine Anziehung, die offensichtlich war: selbst jetzt, mit dem Rücken zu ihm, spürte sie die Spannung zwischen ihnen. Was auch immer für eine Energie zwischen ihnen loderte, sie fühlte sich gefährlich an. Und das machte das Ganze noch erregender.
    Flickenseel seufzte. Heute Morgen war Locke aufgetaucht, aus irgendeinem Grund angespannt und aufgeregt. Die Puppe hatte auf ihre Fragen nicht geantwortet, doch die Zauberin vermutete, dass Locke eine Spur gefunden hatte und dass diese ihn aus Fahl heraus und nach Darujhistan führen würde.
    Kein besonders erfreulicher Gedanke.
    Sie erstarrte, als der Schutzzauber erzitterte, den sie draußen vor der Tür angebracht hatte. Sie

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