Die Gärten des Mondes
worden. Sengende Lichtblitze zuckten dann und wann durch seinen Verstand, aber er vermutete, dass das nichts weiter als eine Erinnerung war -eine Erinnerung an das, was er zuletzt gesehen hatte: Feuer.
Und jetzt würde er gleich in Gesellschaft der erhabensten Menschen essen, die es - einmal abgesehen von der Imperatrix selbst - im Imperium gab. Plötzlich war die Wunde ein Schandfleck. Er würde als ein Zeugnis der Schrecken des Krieges an der Tafel sitzen. Toc blieb dicht vor der Tür zum Speisesaal wie erstarrt stehen. Hatte ihn die Mandata deshalb eingeladen? Er zögerte noch einen Augenblick, dann zuckte er die Schultern und trat ein.
Gleichzeitig, als wären sie ein einziges Wesen, drehten sich Dujek, Tayschrenn und Lorn um und starrten ihn an. Toc der Jüngere verbeugte sich.
»Danke, dass du gekommen bist«, sagte Mandata Lorn. An der Wand, die dem Eingang gegenüberlag, befanden sich drei offene Kamine; vor dem größten davon stand sie mit den beiden Männern. »Bitte, gesell dich zu uns. Wir erwarten nur noch einen weiteren Gast.«
Toc ging zu ihnen hinüber, er war dankbar für Dujeks Grinsen. Die Hohefaust stellte den Kristallkelch auf den Kaminsims und kratzte sich ganz bewusst an seinem Armstumpf.
»Manchmal treibt es einen fast in den Wahnsinn, nicht wahr?«, sagte der alte Mann und grinste breit.
»Ich kratze mich immer mit beiden Händen«, erwiderte Toc.
Dujek stieß ein bellendes Lachen aus. »Trinkst du was mit uns?«
»Danke.« Er bemerkte Lorns abschätzenden Blick, als er von Dujek einen Kelch entgegennahm. Als er die Karaffe von einem nahe gelegenen Tisch holte, glitt sein Blick über Tayschrenn hinweg, doch der Hohemagier richtete all seine Aufmerksamkeit auf das prasselnde Feuer hinter Lorn.
»Hat sich deine Stute erholt?«, fragte die Mandata.
Toc nickte, während er seinen Kelch füllte. »Als ich das letzte Mal nach ihr gesehen habe, hat sie einen Handstand gemacht.«
Lorn lächelte halbherzig, als wäre sie sich nicht sicher, ob er sie auf den Arm nehmen wollte. »Ich habe davon erzählt, wie sehr du mir geholfen hast, am Leben zu bleiben, Toc der Jüngere. Wie du vier Pfeile abgeschossen und vier Barghast ausgelöscht hast.«
Er sah sie scharf an. »Ich hab gar nicht gewusst, dass ich die letzten beiden Schüsse noch in mir gehabt habe«, sagte er. Er trank einen Schluck Wein und widerstand dem Drang, sich zu kratzen.
Dujek grunzte. »Dein Vater hatte auch so eine Art, die Leute zu überraschen. Ein Mann, den ich sehr vermisse.«
»Ich auch«, erwiderte Toc und blickte zu Boden.
Die unbehagliche Stille, die diesem Wortwechsel folgte, wurde dankenswerterweise durch die Ankunft des letzten Gasts gebrochen. Genau wie alle anderen drehte auch Toc sich um, als die Tür aufschwang. Er starrte die Frau an, die da im Eingang stand, und zuckte zusammen. War das nicht Flickenseel? Er hatte sie nie etwas anderes tragen sehen als ihre Kampfausrüstung, und jetzt war er sprachlos. Oh Mann, dachte er verwundert, sie ist gar nicht übel -das heißt natürlich, sofern du stattliche Frauen bevorzugst. Er grinste schwach.
Lorns Reaktion auf Flickenseels Erscheinen hatte fast wie ein Keuchen geklungen. »Wir sind uns schon begegnet, obwohl ich bezweifle, dass Ihr Euch noch daran erinnert«, sagte sie.
Flickenseel blinzelte. »Ich schätze, daran würde ich mich sicher erinnern«, sagte sie vorsichtig.
»Das bezweifle ich. Ich war damals noch nicht einmal elf Jahre alt.«
»Dann müsst Ihr Euch irren. Ich halte mich nur selten in der Gesellschaft von Kindern auf.«
»Sie haben das Mausviertel niedergebrannt, eine Woche, nachdem Ihr es gesäubert hattet, Flickenseel.« Die nur mühsam beherrschte Wut in Lorns Stimme ließ alle Anwesenden erstarren. »Die Überlebenden - die, die Ihr übrig gelassen hattet, sind in Mocks Höhle umquartiert worden. Und in jenen verseuchten Kavernen sind meine Mutter, mein Vater und mein Bruder gestorben.«
Aus Flickenseels rundem Gesicht war alles Blut gewichen.
Verwirrt starrte Toc die anderen an. Dujeks Gesicht war eine unbewegliche Maske, doch tief in seinen Augen tobte ein Sturm, als er Lorn musterte. Über Tayschrenns Gesicht lief plötzlich ein Ausdruck des Begreifens, als er die Zauberin ansah.
»Es war unser erstes Kommando«, sagte Flickenseel leise.
Toc sah, dass Lorn zitterte, und hielt den Atem an. Doch als sie sprach, klang ihre Stimme beherrscht, und die Worte waren klar und verständlich. »Hier ist wohl eine Erklärung vonnöten.« Sie
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