Die Gärten des Mondes
drehte sich zu Hohefaust Dujek um. »Sie waren Rekruten, ein neuer Magier-Kader. Sie waren in Malaz - in der Stadt - und haben auf ihren neuen Kommandeur gewartet, als der Meister der Klaue ein Edikt gegen Zauberei erlassen hat. Dann hat man sie in die Altstadt - das Mausviertel - geschickt, um sie zu säubern. Sie sind« - ihre Stimme stockte - »willkürlich vorgegangen.« Sie wandte sich wieder Flickenseel zu. »Diese Frau hat zu jenen Magiern gehört. Zauberin, jene Nacht war die letzte, die ich mit meiner Familie verbracht habe. Am nächsten Tag wurde ich der Klaue übergeben. Die Nachricht vom Tode meiner Familie hat man mir jahrelang vorenthalten. Doch«, ihre Stimme sank zu einem Flüstern herab, »ich erinnere mich noch sehr gut an jene Nacht - an all das Blut, die Schreie ...«
Flickenseel schien unfähig, etwas zu sagen. Plötzlich war es im Raum unerträglich heiß und stickig. Schließlich riss die Zauberin ihren Blick von der Mandata los und sagte zu Dujek: »Es war unser erster Auftrag, Hohefaust. Wir haben die Kontrolle verloren. Ich bin am nächsten Tag aus dem Offizierskorps ausgeschieden und zu einer anderen Armee versetzt worden.« Sie hatte sich wieder im Griff. »Wenn es der Wunsch der Mandata ist, ein Gericht einzuberufen, so werde ich mich fügen und meine Hinrichtung als gerechte Strafe akzeptieren.«
»Das ist angemessen«, erwiderte Lorn. Sie legte die Linke an den Griff ihres Schwertes und schien es ziehen zu wollen.
»Nein«, sagte Hohefaust Dujek, »das ist nicht angemessen.«
Lorn erstarrte. Sie blickte den alten Mann finster an. »Ihr scheint zu vergessen, wen Ihr vor Euch habt.«
»Nein, das tue ich nicht. Wenn es Euer Wille ist, jene hinzurichten, die im Namen des Imperators Verbrechen begangen haben« - er trat einen Schritt vor -, »dann müsst Ihr auch mich hinrichten, Mandata. Und ich glaube, auch Hohemagier Tayschrenn hat im Namen des Imperators manch schreckliche Dinge getan. Und zu guter Letzt sollte man an die Imperatrix selbst denken. Schließlich hat Laseen die Klaue des Imperators kommandiert, sie hat sie sogar erst geschaffen. Mehr noch, das Edikt kam von ihr, so dankenswert kurzlebig es auch gewesen sein mag.« Er wandte sich an Flickenseel. »Ich war selbst dabei, Flickenseel. Elster hat mich hinuntergeschickt; ich sollte euch zügeln, was ich auch getan habe.«
Sie schüttelte den Kopf. »Elster hatte damals das Kommando?«
Ihre Augen verengten sich. »Das riecht nach einem Spiel der Götter.«
Dujek wandte sich wieder an die Mandata. »Das Imperium hat seine Geschichte, und wir alle sind ein Teil von ihr.«
»In diesem Punkt«, krächzte Tayschrenn, »muss ich Hohefaust Dujek zustimmen, Mandata.«
»Es ist unnötig, diese Sache offiziell zu machen«, sagte Flickenseel, den Blick fest auf Lorn gerichtet. »Ich fordere Euch hiermit zum Duell. Ich werde alle meine magischen Kräfte einsetzen, um Euch zu vernichten. Ihr könnt Euch mit Eurem Schwert verteidigen, Mandata.«
Toc trat einen Schritt vor. Er öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Er hatte Flickenseel sagen wollen, dass Lorn ein Otataral-Schwert trug, dass das Duell schrecklich unfair sein würde und dass sie innerhalb weniger Sekunden sterben würde, da das Schwert jeden ihrer Sprüche zunichte machen würde. Doch dann hatte er gesehen, dass die Zauberin das alles bereits wusste.
»Verdammt, Weib!«, fuhr Dujek die Zauberin an. »Glaubt Ihr denn, es ist alles nur eine Frage dessen, wie man es nennt? Hinrichtung. Duell. Nichts davon hat irgendeine Bedeutung. Alles, was die Mandata tut, alles, was sie sagt, geschieht im Namen von Imperatrix Laseen.« Er blickte Lorn an. »Ihr seid hier als Laseens Stimme, als ihr Wille, Mandata.«
»Die Frau namens Lorn, die Frau, die einst ein Kind war, eine Familie hatte«, sagte Tayschrenn mit überraschend sanfter Stimme, »diese Frau existiert nicht mehr. Sie hat an dem Tag aufgehört zu existieren, an dem sie zur Mandata wurde.« Seine Augen blickten sie schmerzerfüllt an.
Lorn starrte die beiden Männer mit weit aufgerissenen Augen an.
Toc stand neben ihr; er konnte sehen, wie die Worte auf ihren Willen einhämmerten, ihren Zorn zermalmten, das letzte Überbleibsel ihrer Identität in Staub verwandelten. Und in ihre Augen trat die eisige, nüchterne Gelassenheit der Mandata der Imperatrix. Toc spürte, wie das Herz in seiner Brust hämmerte. Er war soeben Zeuge einer Hinrichtung geworden. Die Frau namens Lorn hatte sich aus den Nebeln der
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