Die Gärten des Mondes
Macht riskieren würden. Doch was Raest mehr als alles andere erstaunte, war dies: Als die Jaghut kamen, kamen sie zu mehreren, sie kamen als Gemeinschaft. Als Gemeinschaft, deren einziger Daseinszweck darin bestand, sein Imperium zu vernichten und ihn gefangen zu nehmen.
Er war unvorbereitet gewesen.
Doch er hatte seine Lektion gelernt, und unabhängig davon, was seit damals aus der Welt geworden war, Raest war bereit dafür. Seine Glieder knirschten zuerst, pochten in dumpfem Schmerz, überlagert von scharfen, schmerzhaften Stichen. Er war für einige Zeit außer Gefecht gesetzt, so anstrengend war es gewesen, sich aus der gefrorenen Erde zu graben, doch schließlich fühlte er sich bereit, den Tunnel zu betreten, der hinaus in ein neues Land führte.
Vorbereitung. Er hatte bereits seine ersten Züge eingeleitet. Er spürte, dass andere zu ihm gekommen waren, dass sie den Weg frei gemacht, die Schutzzauber und Siegel aus Omtose-Phellack-Magie beseitigt hatten. Vielleicht waren ein paar seiner Anhänger übrig geblieben, Fanatiker, die seit Generationen versuchten, ihn zu befreien und ihn jetzt außerhalb des Grabhügels erwarteten.
Doch am wichtigsten war der fehlende Finnest. Die verräterischen Jaghut hatten ihm den größten Teil seiner Macht entrissen und in das Samenkorn eingelagert. Es war nicht sehr weit weg gebracht worden, und es gab nichts, was ihn davon abhalten konnte, es sich zurückzuholen. In dem Land über ihm existierte Omtose Phellack nicht länger - er konnte die Abwesenheit der Älteren Magie wie eine luftlose Lücke spüren. Hier gab es nichts, was sich ihm hätte entgegenstellen können.
Vorbereitung. Raests vertrocknetes, faltiges Gesicht verzog sich zu einem wilden Grinsen, seine unteren Hauer bohrten sich durch verdorrte Haut. Die Mächtigen müssen andere Macht anziehen, sie ihrem eigenen Willen unterwerfen und dann unfehlbar lenken. Mit alldem hatte er bereits begonnen.
Er watete durch den Matsch, der jetzt den schlammigen Boden der Grabstätte bedeckte. Direkt vor ihm erhob sich die schräge Wand, die die Grenze des Grabs markierte. Jenseits der kalkdurchzogenen Erde wartete eine Welt darauf, versklavt zu werden. Raest machte eine Geste, und die Barriere explodierte nach außen. Helles Sonnenlicht schimmerte durch die Dampfwolken, die ihn umwallten, und er spürte Wogen kalter, uralter Luft an sich vorbeirauschen. Der Jaghut-Tyrann trat hinaus ins Licht.
Hoch über den Gadrobi-Hügeln schwebte Scharteke auf den heißen Luftströmungen. Der Ausbruch von Macht, der tonnenweise Erde und Felsen hundert Fuß hoch in die Luft schleuderte, entlockte ihr ein krächzendes Gackern. Sie senkte einen Flügel, die Augen fest auf die Säule aus Dampf gerichtet, und flog in einer Kurve darauf zu.
Das dürfte interessant werden, lachte sie in sich hinein.
Ein Luftschwall hämmerte von oben auf sie ein. Empört kreischte Scharteke auf, drehte sich und glitt an dem Wind entlang, der sie beiseite schieben wollte. Gewaltige Schatten glitten über sie hinweg. Eine Woge der Aufregung schwemmte ihren Ärger fort. Sie verrenkte sich schier den Hals, um etwas zu sehen, während ihre Flügel die Luft peitschten und sie wieder zu steigen begann. Bei solchen Angelegenheiten war es entscheidend, einen Punkt zu finden, der einen angemessenen Überblick ermöglichte. Scharteke stieg immer noch höher, dann legte sie den Kopf schräg und blickte nach unten. Im Licht der Sonne schillerten die Schuppen von fünf gezackten Rücken, doch einer von ihnen leuchtete wie Feuer. Magische Macht strömte in Wellen von den Häuten ihrer gespreizten Schwingen. Die Drachen segelten stumm über das Land, näherten sich der wallenden Staubwolke über dem Jaghut-Grab. Schartekes schwarze Augen hefteten sich auf den rot glühenden Drachen.
»Silanah!«, schrie sie lachend. »Dragnipurake t'na Draconiaes! Eleint, Eleint!« Der Tag der Tiste Andii war gekommen.
Raest trat in das grelle Licht der Nachmittagssonne hinaus. Ringsum erhoben sich, so weit der Blick reichte, mit gelbem Gras bewachsene, bucklige verwitterte Hügel; nur im Osten sah es anders aus. Dort lag hinter einem Staubvorhang eine leere Ebene.
Der Jaghut-Tyrann grunzte. Es war gar nicht mal so viel anders.
Er hob die Arme, spürte den Wind an seinen kräftigen Muskeln entlangstreichen. Er nahm einen tiefen Atemzug, schmeckte die Luft, die von reichem Leben kündete. Suchend ließ er seine Macht umherstreifen und triumphierte angesichts der Wogen der Furcht,
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