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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die darauf antworteten. Es waren Antworten, die von dem unbewussten Leben stammten, das sich unter seinen Füßen oder ringsum im Gras versteckte. Doch von höheren Lebensformen, von einer höheren Konzentration der Macht, spürte er nichts. Raest schickte seine Sinne hinab in die Erde, suchte nach dem, was dort unten hauste. Erde und Felsgestein, darunter die träge, geschmolzene Dunkelheit, und weiter, tiefer hinab, auf der Suche nach der schlafenden Göttin - sie war jung im Vergleich zu dem Jaghut-Tyrannen. »Soll ich dich aufwecken?«, flüsterte er. »Nein, noch nicht. Aber ich werde dich bluten lassen.« Seine rechte Hand ballte sich zur Faust.
    Er durchbohrte die Göttin mit Schmerz, trieb einen Spalt durch das Felsgestein, spürte, wie sie zu bluten begann - genug, um sie unruhig werden zu lassen, sie jedoch nicht aufzuwecken.
    Die Hügelreihe in Richtung Norden hob sich himmelwärts. Magma wurde inmitten einer rasch anwachsenden Säule aus Rauch, Geröll und Asche in die Luft geschleudert. Die Erde bebte im gleichen Moment, da das Donnern des Ausbruchs in einem wilden, heißen Windstoß über Raest hinwegfegte. Der Jaghut-Tyrann lächelte.
    Er musterte die zerschmetterten Gipfel und sog tief die schwere, schwefelhaltige Luft ein, dann drehte er sich um und begann, in Richtung Westen dem höchsten Hügel entgegenzumarschieren. Sein Finnest lag irgendwo dahinter, vielleicht drei Tagesmärsche entfernt. Er überlegte kurz, ob er sein Gewirr öffnen sollte, entschloss sich dann aber zu warten, bis er den Gipfel des Hügels erreicht hatte. Von jenem Aussichtspunkt aus würde es leichter sein, herauszufinden, wo genau der Finnest sich befand.
    Als er den Hang zur Hälfte erstiegen hatte, hörte er fernes Lachen. Raest versteifte sich, und im gleichen Augenblick wurde es um ihn herum dunkler. Auf der Grasnarbe vor sich sah er fünf gewaltige Schatten den Abhang hinaufgleiten und jenseits des Hügels verschwinden. Das Sonnenlicht kehrte zurück. Der Jaghut-Tyrann schaute nach oben, gen Himmel.
    Fünf Drachen kamen in vollendeter Formation herangeschwebt; sie neigten die Köpfe und beobachteten ihn, während sie sich näherten. »Estideein Eleint«, flüsterte er in der Sprache der Jaghut. Vier der Drachen waren schwarz und hatten silberne Stacheln entlang der Schwingen; sie flogen jeweils paarweise zu beiden Seiten des fünften, der rot und doppelt so groß war wie die anderen. »Silanah Rotschwinge«, murmelte Raest mit zusammengekniffenen Augen. »Altere Tiam von wahrem Blut, du führst Wechselgänger, deren Blut dieser Welt fremd ist. Ich spüre euch alle!« Er reckte die Fäuste gen Himmel. »Kälter als das Eis, das die Jaghut geschaffen haben, so dunkel wie Blindheit - ich spüre euch!«
    Er senkte die Arme. »Belästigt mich nicht, Eleint. Ich kann euch nicht versklaven, aber ich werde euch vernichten. Das solltet ihr wissen. Ich werde euch auf den Boden herabholen, alle nacheinander, und euch eigenhändig das Herz aus der Brust reißen.« Aus schmalen Augen blickte er die vier schwarzen Drachen an. »Wechselgänger. Ihr wollt mich auf Befehl eines anderen herausfordern. Ihr wollt mit mir kämpfen, obwohl ihr selbst keinen Grund dafür habt. Ah, aber wenn ihr unter meinem Befehl stündet, würde ich euer Leben nicht so sorglos wegwerfen. Ich würde euch schätzen, Wechselgänger, ich würde euch Aufgaben geben, an die zu glauben es sich lohnt, ich würde euch die wahre Belohnung der Macht zeigen.« Raests Gesicht verfinsterte sich, als der Spott der Wechselgänger durch seinen Geist schallte. »So sei es also.«
    Schweigend flogen die Drachen dicht über seinen Kopf hinweg, setzten erneut zu einer Kurve an und verschwanden hinter den Hügeln im Süden. Raest breitete die Arme weit aus und entfesselte sein Gewirr. Sein Fleisch platzte auseinander, als die Macht in ihn hineinfloss. Wie Asche fiel die Haut von seinen Armen. Er hörte und spürte, wie rings um ihn Hügel barsten, er vernahm das Knacken von Steinen, das Zerbrechen von Felsen. In alle Richtungen verschwamm der Horizont, als Staub in gewaltigen Schlieren zum Himmel aufstieg. Er blickte nach Süden. »Dies ist meine Macht! Kommt!«
    Eine lange Minute verstrich. Er starrte mit gefurchter Stirn auf die Hügel vor ihm, dann schrie er plötzlich auf und wirbelte nach rechts herum, von wo Silanah und die vier schwarzen Drachen, kaum zehn Fuß über dem Erdboden schwebend, über den Kamm des Hügels, den er hinaufgestiegen war, herangeschossen

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