Die Gärten des Mondes
hätte er über nichts von großer Bedeutung nachgedacht. Ganz im Gegenteil jedoch hatte sich in seinem Kopf auf der Basis seines Talents ein Muster geformt, das ihn zutiefst beunruhigte. Dass Mira und Irilta Crokus und das Mädchen verloren hatten, machte alles klarer. Es war wie so oft bei den unwissentlichen Dienern der Götter: Wenn das Spiel vorbei war, war auch meist das Leben des Dieners verwirkt. Man konnte die Münze in einem einzelnen Wettkampf aufs Spiel setzen, doch es war viel zu gefährlich, sie endlos in Umlauf zu lassen. Nein, das Glück würde Crokus in dem Augenblick im Stich lassen, da er es am nötigsten brauchte, und das würde den Burschen das Leben kosten.
»Nein, nein«, hatte Kruppe in seinen Bierkrug hineingemurmelt. »Das darf Kruppe nicht zulassen.«
Doch die Muster des Erfolgs waren noch immer schwer zu fassen. Er war sich ziemlich sicher, dass er alle möglichen Gefahren, die den Burschen bedrohen konnten, berücksichtigt hatte oder, genauer gesagt, dass irgendjemand gute Arbeit dabei leistete, Crokus zu beschützen; das zumindest hatte das Muster ihm gezeigt. Nur hatte er den nagenden Verdacht, dass dieser »jemand« nicht er selbst war, und auch keiner seiner Agenten. Also musste er sich einfach auf die Integrität dieser Person verlassen.
Kreisbrecher hatte es einmal mehr geschafft, und Kruppe vertraute immer noch darauf, dass Turban Orr bei seiner Jagd auf den Mann keinen Erfolg haben würde. Der Aal wusste die Seinen zu schützen. In der Tat war für Kreisbrecher der Zeitpunkt gekommen, sich zurückzuziehen - um seiner eigenen Sicherheit willen -, und Kruppe hatte vor, ihm die frohe Botschaft heute Abend auf Lady Simtals Fest mitzuteilen. Das war das Mindeste, was Kreisbrecher nach all den Jahren verdient hatte.
Das Muster hatte ihm auch noch etwas anderes verraten, was er allerdings bereits wusste: Seine Tarnung war aufgeflogen. Der Bann, mit dem er Murillio belegt hatte, würde nicht mehr lange halten, doch das war auch gar nicht erforderlich. Kruppe hatte an diesem Tag ungehindert seine Freiheit nutzen wollen. Danach, nun, danach würden sich die Dinge entwickeln, wie sie sich eben entwickeln würden - und das Gleiche galt für sein Treffen mit Baruk.
Wenn etwas Kruppe zu denken gab, dann war es die Tatsache, dass das Muster so abrupt endete. Nach der bevorstehenden Nacht war die Zukunft ein unbeschriebenes Blatt. Ganz eindeutig stand ein entscheidender Wendepunkt bevor - und zwar heute Abend, auf Lady Simtals Fest.
Als Kruppe das Viertel der Adligen und Reichen betrat, nickte er dem einzelnen Wachmann auf seinem Posten dicht bei der Rampe wohlwollend zu. Der Mann starrte ihn finster an, sagte jedoch nichts. Das Fest sollte in dreißig Minuten beginnen, und Kruppe wollte unter den ersten Gästen sein. Bei dem Gedanken an all die frischen Kuchen und Torten mit warmen, süßen Soßen lief ihm das Wasser im Mund zusammen. Er zog seine Maske unter seinem Umhang hervor und lächelte sie an. Von all den Anwesenden würde vielleicht nur der Hohe Alchemist Baruk die Ironie zu schätzen wissen, die in diesem geschnitzten Gesicht lag. Ach je, seufzte er. Einer ist mehr als genug, wenn man bedenkt, wer dieser Eine ist. Denn schließlich ist Kruppe doch nicht unersättlich, oder?
Als Antwort knurrte sein Magen.
Crokus starrte angestrengt nach Osten, wo es immer dunkler wurde. So etwas wie Blitze zuckten in gewissen Abständen hinter den Hügeln auf, und jeder Blitz war ein bisschen näher als sein Vorgänger. Doch das Donnergrollen, das irgendwann am frühen Nachmittag angefangen hatte und noch immer andauerte, klang irgendwie falsch, seine Klangfarbe glich nicht jenem normalen Bass, der sonst über die Erde rollte. Es klang beinahe gereizt. Schon vor einer ganzen Weile waren Wolken über den Hügeln erschienen, die unheimlich ockerfarben waren und irgendwie krank aussahen, und diese Wolken näherten sich jetzt der Stadt.
»Wann gehen wir?«, fragte Apsalar, die sich neben ihm auf die Mauer lehnte.
Crokus schüttelte sich. »Jetzt. Es ist dunkel genug.«
»Crokus - was wirst du tun, wenn Challice D'Arle dich ein zweites Mal verrät?«
Im Zwielicht konnte er kaum ihr Gesicht erkennen. Hatte sie ihn mit dieser Frage verletzen wollen? Allein nach dem Klang ihrer Stimme konnte er das nicht beurteilen. »Das wird sie nicht tun«, sagte er und redete sich ein, dass er das glaubte. »Vertrau mir einfach.« Er wandte sich dem Treppenschacht zu.
»Das tue ich«, sagte sie
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