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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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voller Schreie und Tod.
    Schuldgefühle stiegen in ihr auf, eine erschreckend vertraute geisterhafte Fratze. Nach all den Jahren besaß dieses Gesicht noch immer die Macht, ihre Welt in Stücke zu reißen, die Dinge auszuhöhlen, die für sie fest und unerschütterlich sein mussten, und mit einer Scham, die beinahe zweihundert Jahre alt war, an ihrer Illusion von Sicherheit zu rütteln.
    Das Bild versank wieder in seinen klebrigen Teich, ließ sie jedoch verändert zurück. Dieses Mal würde sie nicht weglaufen. Ihr Blick kehrte ein letztes Mal zu dem Hund zurück. Die Augen des Tieres schienen mit einem gelben Feuer zu leuchten, sich in sie zu bohren, als wollten sie ihre Seele brandmarken.
    Flickenseel versteifte sich auf ihrem Stuhl, als sie eine kalte Präsenz hinter sich spürte. Langsam drehte sie sich um.
    »Entschuldigt, dass ich Euch nicht gewarnt habe«, sagte der Schnelle Ben, der aus der wirbelnden Wolke seines Gewirrs auftauchte. Es verströmte einen fremdartigen, würzigen Geruch. »Wir bekommen Gesellschaft«, fuhr er fort. Er schien mit seinen Gedanken ganz woanders zu sein. »Ich habe Locke gerufen. Er kommt durch sein Gewirr.«
    Flickenseel erschauerte, als eine Vorahnung sie wie eine kalte Woge durchlief. Sie betrachtete noch einmal das Spiel und begann dann, die Karten einzusammeln.
    »Die Situation ist soeben noch viel komplizierter geworden«, sagte der Magier hinter ihr.
    Die Zauberin hielt einen Augenblick inne und gestattete sich ein kleines, dünnes Lächeln. »Tatsächlich?«, murmelte sie.
    Der Wind trieb Elster den Regen ins Gesicht. Leise hallte der vierte Glockenschlag durch die dunkle Nacht. Der Sergeant zog sich den Regenumhang enger um die Schultern und verlagerte müde sein Gewicht. Er stand auf dem Dach des Ostturms des Palastes, doch der Regen schränkte die Sicht stark ein. »Du kaust jetzt schon seit Tagen auf irgendwas rum«, sagte er zu dem Mann neben sich. »Spuck's aus, Soldat.«
    Fiedler wischte sich Regenwasser aus den Augen und blinzelte nach Osten. »Da gibt's nicht viel zu sagen«, sagte er barsch. »Es sind nur Gefühle. Da ist zum Beispiel diese Zauberin.«
    »Flickenseel?«
    »Ja.« Metall klirrte, als der Sappeur seinen Schwertgurt löste. »Ich hasse dieses verdammte Ding«, murmelte er.
    Elster sah zu, wie Fiedler den Gurt mitsamt dem in der Scheide steckenden Kurzschwert in eine Ecke der kiesbestreuten Plattform schleuderte. »Vergiss ihn nur nicht wieder, so wie letztes Mal«, sagte der Sergeant und verkniff sich ein Grinsen.
    Fiedler zuckte zusammen. »Mach einmal einen Fehler, dann sorgen die anderen schon dafür, dass du ihn nie vergisst.«
    Elsters Schultern bebten, als er lautlos in sich hineinlachte.
    »Bei den Gebeinen des Vermummten«, fuhr Fiedler fort, »ich bin nun mal kein Kämpfer. Zumindest nicht mit dem Ding da. Ich bin in einer Gasse in Malaz auf die Welt gekommen, hab in der Ebene hinter Mocks Feste gelernt, wie man sich durch Erde und Steine wühlt und in Hügelgräber einbricht.« Er blickte kurz zu seinem Sergeanten auf. »Du warst auch einmal Steinmetz. Genau wie ich. Nur hast du alles, was mit dem Soldatenhandwerk zu tun hat, viel, viel schneller gelernt als ich. Für mich hieß es einfach: entweder das Militär oder die Bergwerke. Und manchmal glaube ich, ich habe die falsche Wahl getroffen.«
    Elsters Erheiterung verschwand schlagartig; Fiedlers Worte hatten ihm einen Stich versetzt. Was habe ich denn eigentlich gelernt? Wie man Menschen tötet? Wie man sie losschickt, damit sie in einem fremden Land sterben? »Was für ein Gefühl hast du denn bei Flickenseel?«, fragte er knapp.
    »Sie fürchtet sich«, erwiderte der Sappeur. »Ich habe den Eindruck, dass sie von ein paar alten Dämonen heimgesucht wird und dass die näher kommen.«
    Elster grunzte. »Es kommt nicht oft vor, dass man einen Magier mit einer angenehmen Vergangenheit findet«, meinte er. »Angeblich ist sie nicht rekrutiert worden, sondern auf der Flucht gewesen. Ihr erstes Kommando hat sie total verpfuscht.«
    »Ein ungünstiger Zeitpunkt, wenn sie gerade jetzt anfängt, weich zu werden.«
    »Sie hat ihren Kader verloren. Sie ist betrogen worden. Ohne das Imperium hat sie kaum noch etwas, woran sie sich halten kann.« Woran soll sich überhaupt irgendjemand von uns noch halten?
    »Es ist, als ob sie ständig jeden Augenblick losheulen könnte. Ich fürchte, sie hat ihr Rückgrat verloren. Wenn Tayschrenn ihr die Daumenschrauben anlegt, wird sie wahrscheinlich

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