Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
Vom Netzwerk:
zurzeit ziemlich viel Gedränge.« Sein Blick fiel wieder auf die Hunde. Die Kreaturen beobachteten ihn immer noch, ihre Augen glühten wie Kohlen. Ich kriege euch noch. Als hätte sein stummes Versprechen sie angefacht, wurde das rötliche Glühen stärker.
    Der Gott begann wieder zu sprechen, aber die Welt um Paran wurde plötzlich dunkler; sie schwand und schrumpfte, bis von der Stimme nichts mehr zu hören war und auch alle anderen Wahrnehmungen endeten, außer dem schwachen Klang einer sich erneut drehenden Münze.
     
    Eine unbekannte Zeitspanne verstrich, in der Paran durch Erinnerungen wanderte, die er längst verloren geglaubt hatte. Die Tage seiner Kinderzeit, wie er sich am Kleid seiner Mutter festgeklammert und seine ersten wackligen Schritte gemacht hatte; die Sturmnächte, in denen er den kühlen Korridor entlang zum Schlafzimmer seiner Eltern gerannt war, wobei seine kleinen Füße auf die kalten Steine patschten; wie er die Hände seiner beiden Schwestern gehalten hatte, die auf den Pflastersteinen im Hof standen und warteten - auf irgendjemanden warteten. Die Bilder schienen seitwärts durch seinen Kopf zu taumeln. Das Kleid seiner Mutter? Nein, eine alte Frau, eine Dienerin im Haushalt. Nicht das Schlafzimmer seiner Eltern, sondern das der Bediensteten. Und da, im Hof mit seinen Schwestern ... sie hatten den halben Morgen dagestanden und auf die Ankunft ihres Vaters und ihrer Mutter gewartet - zwei Menschen, die sie kaum kannten.
    In seinem Verstand wiederholten sich die Szenen immer aufs Neue - es waren Augenblicke geheimnisvoller Bedeutung, verborgener Wichtigkeit, Teile eines Puzzles, das er nicht erkannte, von Händen geformt, die nicht seine eigenen waren, und mit einem Ziel, das er nicht ergründen konnte. Furcht jagte zitternd durch sein Denken, als er spürte, dass etwas - jemand - eifrig dabei war, die prägenden Augenblicke seines Lebens neu zu arrangieren, sie ununterbrochen umzukehren, so dass sie neue Schatten in die Gegenwart warfen. Die führende Hand ... spielte. Mit ihm, mit seinem Leben.
    Es schien eine merkwürdige Art von Tod zu sein - Stimmen drangen an sein Ohr.
    »Zur Hölle!« Ein Gesicht beugte sich zu ihm herunter, sah in seine weit aufgerissenen leeren Augen. Das Gesicht gehörte Tippa. »Er hatte überhaupt keine Chance«, sagte sie.
    Sergeant Fahrig stand ein paar Schritte entfernt. »Niemand aus der Neunten hätte ihn auf diese Weise getötet«, sagte er. »Nicht hier, mitten in der Stadt.«
    Tippa streckte die Hand aus und berührte die Brustwunde; ihre Finger fühlten sich überraschend sanft an. »Das sieht nicht nach Kalam aus.«
    »Bleibst du bei ihm?«, fragte Fahrig. »Ich geh los und hol Fäustel und Igel, und wer sonst noch aufgekreuzt ist.«
    »Nur zu«, antwortete Tippa, während sie die zweite Wunde suchte und fand, acht Zoll unter der ersten. »Der Stoß hier ist später gekommen, mit der Rechten, und schwach.«
    Ein merkwürdiger Tod, wirklich, dachte Paran. Was hielt ihn noch hier? Hatte es da nicht noch einen anderen ... Ort gegeben? Einen Ort voll heißem, sengendem, gelbem Licht. Voller Stimmen und matter, verschwommener Gestalten, dort unter dem Bogen aus ... aus Menschenmassen, sonderbar an Ort und Stelle gehalten, die Augen geschlossen, die Münder aufgerissen. Ein Chor der Toten ... War er an diesen anderen Ort gegangen, nur um zu diesen wirklichen Stimmen, diesen wirklichen Händen auf seiner Haut zurückzukehren? Wie konnte er durch die leeren Linsen seiner Augen etwas sehen, die sanfte Berührung der Frau spüren? Und was war mit dem tiefen Schmerz, der aufstieg, einem Leviathan gleich?
    Tippa zog die Hände zurück und ließ die Ellbogen auf ihre Schenkel sinken, während sie sich vor Paran hinhockte. »Aber wie kommt es, dass Ihr immer noch blutet, Hauptmann? Diese Stichwunden sind mindestens eine Stunde alt.«
    Der Schmerz erreichte jetzt die Oberfläche. Paran spürte, wie seine schlaffen Lippen sich öffneten. Seine Kiefergelenke knackten, und er holte tief Luft. Dann schrie er.
    Tippa machte einen mächtigen Satz rückwärts. Als wäre es aus dem Nichts gekommen, hatte sie plötzlich ihr Schwert in der Hand und wich zur gegenüberliegenden Mauer der Gasse zurück. »Shedenul, erbarme dich!«
    Stiefel polterten über die Pflastersteine zu ihrer Rechten, und sie wirbelte herum. »Heiler! Der Kerl ist noch am Leben!«
     
    Der dritte Glockenschlag nach Mitternacht dröhnte durch Fahl, hallte durch Straßen, die dank des Ausgehverbots wie leer

Weitere Kostenlose Bücher