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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Mann an, der im Zimmer auf und ab ging, wobei seine Schritte auf dem Dielenboden kaum einen Laut verursachten. So groß Kalam auch war, er schien fast dahinzugleiten, was der ganzen Szene etwas Unwirkliches gab, wozu natürlich auch der Magier beitrug, der mit gekreuzten Beinen mitten im Raum ein paar Zoll über dem Fußboden schwebte.
    Flickenseel spürte, wie erschöpft sie war. Zu viel war geschehen und geschah immer noch, und alles zur gleichen Zeit. Sie schüttelte sich innerlich und richtete ihr Augenmerk wieder auf den Schnellen Ben.
    Der Magier stand mit Locke in Verbindung, und die Marionette war jemandem - etwas - auf der Spur gewesen; die Spur hatte ins Gewirr des Schattens geführt. Locke hatte die Tore des Schattenreichs erreicht - und dann war er hindurchgegangen.
    Eine Zeit lang war der Kontakt zwischen dem Schnellen Ben und der Puppe unterbrochen gewesen, und jene langen Minuten der Stille hatten an den Nerven der Wartenden gezehrt. Als Lockes Präsenz zu Ben zurückgekehrt war, war er nicht mehr allein gewesen.
    »Er kommt raus«, verkündete der Schnelle Ben. »Wechselt die Gewirre. Mit Oponns Hilfe wird er die Hunde abschütteln können.«
    Flickenseel zuckte zusammen, als der Magier den Namen der Narren so beiläufig erwähnte. Angesichts so vieler Strömungen, die dicht unter der Oberfläche dahinwirbelten, mochte das durchaus unwillkommene Aufmerksamkeit auf sie ziehen.
    Erschöpfung hing wie eine Wolke bitteren Weihrauchs im Raum, gemischt mit Schweiß und Anspannung. Nach seinen letzten Worten hatte der Schnelle Ben den Kopf vorgebeugt. Flickenseel wusste, dass sein Geist jetzt durch die Gewirre reiste, sich mit einem unlösbaren Griff an Lockes Schulter festklammerte.
    Kalam unterbrach seine Wanderung durch das Zimmer und baute sich vor der Zauberin auf. »Was ist mit Tayschrenn?«, fragte er barsch, während seine Hände zuckten.
    »Er weiß, dass irgendetwas passiert ist. Er ist auf der Jagd, aber die Beute entzieht sich ihm immer wieder.« Sie lächelte den Assassinen an. »Ich spüre, dass er vorsichtig vorgeht. Sehr vorsichtig. Denn nach allem, was er weiß, kann die Beute ein Kaninchen sein - oder ein Wolf.«
    Kalam machte noch immer ein grimmiges Gesicht. »Oder ein Hund«, murmelte er. Dann nahm er seine unruhige Wanderung durch das Zimmer wieder auf.
    Flickenseel starrte ihn an. War das etwa Lockes Absicht? Einen Hund hinter sich herzulocken? Wollten sie alle zusammen Tayschrenn in einen tödlichen Hinterhalt führen? »Ich hoffe nicht«, sagte sie und blickte den Assassinen scharf an. »Das wäre dumm.«
    Kalam beachtete sie nicht; ganz offensichtlich wich er ihrem Blick aus.
    Flickenseel erhob sich. »Nein, nicht dumm. Es wäre heller Wahnsinn. Begreifst du nicht, was hier entfesselt werden könnte? Manche glauben, die Hunde sind älter als das Schattenreich. Aber es sind nicht sie allein. Macht zieht Macht an. Wenn ein Aufgestiegener das Gefüge hier und jetzt zerreißt, werden andere das Blut riechen und hierher kommen. Bis zur Dämmerung könnte jedes sterbliche Wesen in dieser Stadt tot sein.«
    »Beruhigt Euch, Zauberin«, sagte Kalam. »Niemand will einen Hund auf die Stadt loslassen. Ich habe aus Furcht gesprochen.« Er vermied es noch immer, sie anzusehen.
    Das Eingeständnis des Assassinen erschreckte Flickenseel zutiefst. Er schämte sich, deshalb wollte er sie nicht ansehen. Furcht war ein Eingeständnis von Schwäche. »Beim Vermummten«, seufzte sie, »ich habe die letzten Stunden auf einem Kissen gesessen.«
    Das überrumpelte ihn. Er blieb stehen und sah sie an. Dann begann er zu lachen.
    Es war ein volles, tiefes Lachen, und sie genoss es zutiefst.
    Die Tür öffnete sich, und Fäustel betrat den Raum; sein rundes Gesicht war rot und glänzte. Der Heiler warf einen kurzen Blick auf den Schnellen Ben und ging dann zu Flickenseel. Er hockte sich vor sie hin. »Wenn alles mit rechten Dingen zuginge«, sagte er ruhig, »müsste Hauptmann Paran in einem Offiziersgrab liegen, mit fünf Fuß Erde auf seinem hübschen Gesicht.« Er nickte Kalam zu. »Die erste Wunde - direkt unterhalb seines Herzens - war tödlich. Der Stoß wurde von jemandem geführt, der verdammt gut mit einem Dolch umgehen kann«, fügte er hinzu und sah den Assassinen bedeutungsvoll an. »Der zweite Stoß hätte ihn zwar etwas langsamer erledigt, aber genauso sicher.«
    Kalam schnitt eine Grimasse. »Er müsste also eigentlich tot sein, ist es aber nicht. Das bedeutet... ?«
    »Jemand hat sich

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