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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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obwohl sie nichts über ihre Pläne verlauten ließen, zeigten sie sich merkwürdig interessiert, möglichst viele Einzelheiten zu erfahren.
    Crokus Junghand ließ den dösenden Wächter im Garten unter sich nicht aus den Augen, während er im Geist vorsichtig die verschiedenen Möglichkeiten durchging, wie er weiter vorgehen könnte. Zunächst einmal musste er herausfinden, welcher von all den Räumen des Herrenhauses dem jungen Mädchen gehörte. Crokus mochte es nicht, wenn er raten musste, doch er hatte festgestellt, dass er sich recht gut auf seine Intuition verlassen konnte, die einer eigenen Logik zu folgen schien, wenn es um solche Entscheidungen ging.
    Das Zimmer der jüngsten und hübschesten Tochter der D'Arles befand sich ziemlich sicher im obersten Stockwerk. Und es hatte bestimmt auch einen Balkon, von dem aus sie auf den Garten hinausschauen konnte.
    Er richtete seine Aufmerksamkeit auf die Wand direkt neben sich. Drei Balkone, doch nur einer davon, ganz links, lag im dritten Stock. Crokus zog sich von der Kante zurück und huschte leise über das Dach, bis er glaubte, sich direkt über diesem Balkon zu befinden. Dann schob er sich wieder zur Dachkante vor und sah nach unten.
    Der Balkon lag höchstens zehn Fuß unter ihm. Auf beiden Seiten erhoben sich reich verzierte, geschnitzte Säulen aus bemaltem Holz. Ein halbmondförmiger Bogen verband sie eine Armeslänge unterhalb von ihm, vervollständigte so den kunstvollen Rahmen. Nach einem letzten Blick auf den Wächter, der sich noch immer nicht rührte - und dessen Speer nicht den Eindruck machte, als könnte er im nächsten Moment scheppernd auf die Steinplatten fallen -, ließ Crokus sich langsam an der Wand hinunter.
    Das Pech an seinen Mokassins haftete mit beruhigender Sicherheit an dem Dachgesims. Es gab viele Stellen, an denen die Hände Halt finden konnten, denn die Schnitzereien waren tief eingearbeitet, und Sonne, Wind und Regen hatten die Farbe verwittern lassen. Er kletterte an einer der Säulen hinunter, bis seine Füße an der Stelle, wo sie die Wand berührte, das Geländer ertasteten. Einen Augenblick später kauerte er im Schatten eines schmiedeeisernen Tisches und eines gepolsterten Stuhls auf den glasierten Fliesen.
    Nicht der kleinste Lichtschein drang durch die Läden der Schiebetür. Zwei lautlose Schritte brachten ihn ganz nah heran. Eine kurze Untersuchung, und er wusste über die Machart des Riegels Bescheid. Crokus griff nach einer feingezahnten Säge und begann zu arbeiten. Das Geräusch, das die Säge machte, war fast nicht zu hören, war kaum lauter als das Zittern eines Heuschreckenbeins. Es war wirklich ein wunderbares Werkzeug, selten und höchstwahrscheinlich teuer. Crokus war in der glücklichen Lage, einen Onkel zu haben, der sich mit Alchemie befasste und solche magisch gehärteten Werkzeuge brauchte, wenn er seine bizarren Kondensierungs und Filtermechanismen konstruierte. Noch dazu war er ein sehr zerstreuter Onkel, der dazu neigte, Dinge zu verlegen.
    Zwanzig Minuten später trennten die Zähne der Säge den letzten widerspenstigen Bolzen ab. Er steckte die Säge zurück in seinen Kreuzgurt, wischte sich die schwitzenden Hände ab und drückte die Tür auf.
    Vorsichtig schob Crokus den Kopf in den Raum. Im grauen Zwielicht sah er ein großes Bett mit vier Säulen, das mit dem Kopfteil an der Außenwand stand. Ein riesiges Moskitonetz hing darüber; es reichte bis zum Boden, wo es in mehreren Schichten übereinander lag. Vom Bett her drangen gleichmäßige Atemzüge an sein Ohr; dort schlief jemand tief und fest. Der Duft eines teuren Parfüms lag in der Luft, es roch würzig und war wahrscheinlich aus Callous.
    Ihm genau gegenüber gab es zwei Türen. Die eine stand weit offen und führte in ein Badezimmer, die andere war eine beeindruckende Barriere aus mit Eisenbändern versehenen Eichenbrettern und besaß ein gewaltiges Schloss. An der Wand zu seiner Rechten standen ein Kleiderschrank und ein Schminktisch, über dem drei polierte Silberspiegel angebracht waren, die mit Scharnieren miteinander verbunden waren. Der mittlere stand gerade an der Wand, die anderen beiden waren in einem Winkel abgeklappt, so dass sie eine unendliche Zahl bewundernder Gesichter zeigen konnten.
    Crokus wandte sich zur Seite und tastete sich in den Raum vor. Er richtete sich langsam auf und streckte sich, lockerte die Muskeln, die sich in der letzten halben Stunde in einem Zustand höchster Anspannung befunden hatten. Dann schlich er

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