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Die Gärten des Mondes

Die Gärten des Mondes

Titel: Die Gärten des Mondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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weiter.
    Genau an der Kreuzung stand ein ausladender, kahler Baum. Von einem der gewaltigen Äste hing etwas Längliches herab, das in Sackleinen eingewickelt war und ächzend im Wind schaukelte. Kruppe warf dem Ding nur einen flüchtigen Blick zu. Er erreichte den Pfad und begann den Aufstieg.
    »Eine schlechte Wahl, sagt Kruppe. Gasthäuser für den staubbedeckten Reisenden sollten nicht auf Hügeln liegen. Der arme Reisende ist dazu verdammt, ständig zu entdecken, wie weit der Aufstieg noch ist. Das verlangt nach einer Bemerkung dem Besitzer gegenüber. Natürlich erst, wenn süßes Bier seine Kehle beschwichtigt hat und Streifen von saftigrotem Fleisch und gegrillte Süßkartoffeln seinen Schlund erfreut haben - und wenn saubere Salbenverbände seine Füße umhüllen. Solche Wiederherstellungsmaßnahmen müssen Vorrang vor den Diskussionen über die Schwächen der Anlage haben, die Kruppe hier sieht.«
    Sein Monolog versiegte, wurde von keuchenden Atemzügen abgelöst, während er sich den Pfad hinaufquälte. Als Kruppe die Tür erreichte, war er so erschöpft, dass er nicht einmal aufblickte, sondern der verwitterten Holztür einfach einen kräftigen Stoß gab, so dass sie unter dem Kreischen rostiger Angeln nach innen schwang. »Geschafft!«, rief er und blieb stehen, um die Ärmel seines Mantels abzuklopfen. »Einen schäumenden Humpen für diesen ...« Seine Stimme erstarb, als er die schmutzigen Gesichter sah, die sich ihm zugewandt hatten. »Schätze, das Geschäft geht schlecht«, murmelte er. Dies hier war in der Tat ein Gasthaus - oder war zumindest vor einem Jahrhundert einmal eins gewesen. »Regen liegt in der Luft«, sagte er zu dem halben Dutzend Bettlern, die um eine dicke Talgkerze herum auf dem Lehmfußboden kauerten.
    Einer der Burschen nickte. »Wir werden deine Zuhörer sein, Unglücklicher.« Er deutete auf eine Strohmatte. »Setz dich und unterhalte uns.«
    Kruppe hob eine Augenbraue. »Kruppe fühlt sich von der Einladung sehr geehrt, Herr.« Er neigte den Kopf, trat dann vor. »Aber denkt bitte nicht, er wäre zu dieser ehrenwerten Versammlung gekommen, ohne etwas mitzubringen.« Er ließ sich mit gekreuzten Beinen nieder und grunzte dabei vor Anstrengung. Dann sah er den Mann wieder an, der zu ihm gesprochen hatte. »Er wird sein Brot mit euch teilen.« Er zog ein kleines Roggenbrot aus dem einen Ärmel; in der anderen Hand erschien ein Brotmesser. »Kruppe, der Mann, der jetzt vor euch sitzt, ist Fremden wie Feinden wohl bekannt. Ein Bürger des glitzernden Darujhistan, des mystischen Juwels von Genabackis, der saftigen Traube, die reif genug ist, um gepflückt zu werden.« Er brachte von irgendwoher ein Stück Ziegenkäse zum Vorschein und lächelte die Gesichter vor ihm breit an. »Und dies ist sein Traum.«
    »Ja, das ist er«, sagte der Sprecher der Bettler, und ein belustigter Ausdruck glitt über sein faltiges Gesicht. »Wir genießen es immer, wenn wir uns in deinem Dunstkreis aufhalten dürfen, Kruppe von Darujhistan. Und wir freuen uns immer über deine Reiselust.«
    Kruppe legte das Roggenbrot auf den Boden und schnitt ein paar Scheiben ab. »Kruppe hat euch immer für die Seiten seines eigenen Selbst gehalten; ein halb Dutzend Hungernde unter vielen anderen, sozusagen. Doch, eure Bedürfnisse einmal zurückgestellt, was ist es, das ihr eurem Herrn vor Augen führen wollt? Dass er seine Flucht beenden und kehrtmachen solle, natürlich. Dass der eigene Schädel eine zu wertvolle Kammer sei, um Trugbilder darin herrschen zu lassen ... Doch Kruppe versichert euch auf der Grundlage langjähriger Erfahrung, dass jegliche Täuschung im Verstand geboren wird und dass sie dort genährt wird, während die Tugenden darben müssen und verkümmern.«
    Der Sprecher nahm eine Scheibe Brot und lächelte. »Dann sind wir möglicherweise eure Tugenden.«
    Kruppe schwieg einen Moment und betrachtete den Käse in seiner Hand genauer. »Diese Vorstellung, die Kruppe bisher noch nie in Betracht gezogen hat, vermischt sich eigentümlich mit der stummen Versenkung in den Anblick des Schimmels auf diesem Käse. Doch leider gerät der Gegenstand unserer Betrachtungen in Gefahr, sich im Labyrinth solch tiefer Auslegungen zu verlieren. Noch gebührt es Bettlern kaum, die Wahl des Käses zu bestimmen. Wieder einmal seid Ihr zurückgekehrt, und Kruppe weiß auch warum, wie er bereits mit bewundernswerter Gelassenheit erklärt hat.«
    »Die Münze dreht sich, Kruppe, sie dreht sich immer noch.« Das Gesicht

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