Die galante Entführung
Bericht über die Angelegenheit erhalten.
»Eine reiche Witwe!« rief sie aus. »Es könnte nichts Besseres geben! Ich wünschte, er liefe morgen mit ihr davon!«
Sie hatte die Sache Selina gegenüber nicht erwähnt, tat es aber jetzt und sagte: »Ich halte es für durchaus wahr – daß Calverleigh jetzt darauf aus ist, sein Interesse an diese Mrs. Clapham zu heften; zumindest erzählte es mir Mrs. Grayshott vor ein, zwei Tagen, aber sie kann nicht so gut wie Laura Butterbank unterrichtet sein, denn sie erwähnte weder das Teetrinken noch die Table-d’hôte. Meine Liebe, warum so bestürzt dreinsehen? Du willst doch bestimmt nicht mehr, daß er Fanny heiratet!«
Nein, das wollte Selina nicht, aber es war so schockierend, so schmerzlich, zu denken, daß ein junger Mann mit so angenehmen Manieren sich als ein Ungeheuer an Falschheit herausstellte! Sie war noch nie im Leben so sehr getäuscht worden. »Und wenn ich an die arme kleine Fanny denke – falls es doch wahr ist, nicht daß ich überhaupt überzeugt bin, denn sehr wahrscheinlich ist es nichts als eine Lügengeschichte, und ich flehe dich an, ihr kein Wort davon zu verraten!«
»Bestimmt nicht! Sie wird bald genug selbst drauf kommen, das arme Kind! Es wird für sie vielleicht gar kein solcher Schock sein, wie wir es fürchten. Du mußt bemerkt haben, Selina, daß unter all den Sträußen und Weintrauben, die von ihren Verehrern für sie abgegeben werden, nur ein einziges Blumenbukett die Karte des jungen Calverleigh trug, und er hat nur ein einziges Mal vorgesprochen, um zu fragen, wie es ihr gehe. Wenn du es nicht bemerkt hast – sie schon. Sie sagt nichts, aber es ist schmerzlich zu sehen, wie eifrig sie nach der Karte sucht, die an jedes neue Sträußchen geheftet ist, das in ihr Zimmer hinaufgebracht wird, und wie ihr Gesicht lang wird, wenn sie entdeckt, daß es nur von Oliver oder Jack Weaversham – oder Peter Trevisian ist.«
Miss Abigail Wendover sah äußerst müde aus, und mit gutem Grund. Fannys Anfall war schwer gewesen; das Fieber hatte länger angehalten, als selbst Dr. Rowton pessimistisch vorausgesagt hatte; und obwohl es ihr nun erlaubt war, im Salon auf dem Sofa einige Stunden täglich zu liegen und sogar Besuche von ihren engeren Freunden zu empfangen, zeigte ihre Temperatur noch immer die Tendenz, gegen Abend zu steigen, und es war zu sehen, daß sie die Krankheit sehr mitgenommen hatte. Der Hauptanteil der Pflege war Abby zugefallen, denn Fanny konnte die energisch geleisteten Dienste der Mrs. Grimston kaum ertragen. Sie klagte, deren Hände seien zu rauh, der Fußboden zittere jedesmal, wenn sie über ihn stampfe, sie könne nicht ans Bett treten, ohne anzustoßen, und sie höre nie auf zu schimpfen und ein Getue zu machen. Diese Mißstände, ob echt oder eingebildet, machten Fanny böse, unruhig und störrisch; sie kam auf den Ruf ihrer Kindheit zurück: »Ich will Abby!«, und Abby reagierte wie immer sofort auf ihn.
Bei ihrer Tante war Fanny halbwegs gehorsam, aber die ständige Wache am Krankenbett, gekoppelt mit einem gewissen Grad an Besorgnis, begann allmählich ihren Zoll einzuheben. Selina, die über die Gebrechlichkeit ihrer eigenen Konstitution stöhnte, weil sie sie daran hinderte, sich mit Abby in Fannys Pflege zu teilen, sagte ihrer Schwester, sie sehe ganz einfach zermürbt aus, und bat sie zu den unmöglichsten Zeiten, sich aufs Sofa zu legen, selbst wenn auch nur für eine Stunde.
Man hätte angenommen, daß Abby keine Zeit oder keinen Gedanken für ihre eigenen Kümmernisse übrig hätte, aber sie schienen ständig im Hintergrund zu lauern, bis sie zu Bett ging, wo sie sich unverzüglich in den Vordergrund drängten und sie wach hielten, so daß sie sich fast genauso unruhig wie Fanny herumwarf. Sie mochte sich ja sagen, es sei von Vorteil, daß Miles Calverleigh Bath verlassen hatte, aber die traurige Wahrheit war: sie vermißte ihn so sehr, daß es fast körperlich weh tat. Es war kein Wort von ihm gekommen; er war länger abwesend, als sie erwartet hatte. Und die Angst, daß er vielleicht vorhatte, nicht mehr nach Bath zurückzukehren, drückte ihre Stimmung sehr. Sie entdeckte, daß sie sich ständig fragte, wo er war und was er tat, und wünschte, sie wüßte zumindest, daß ihm kein Unfall zugestoßen sei.
Das war nicht der Fall. Er war in London, aber während Abby einen Besuch bei seiner Tante, mehrere in der City sowie einige längere Besprechungen mit seinem Anwalt für einwandfrei gehalten hätte,
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