Die galante Entführung
war es doch recht gut, daß ihr zumindest eine seiner Unternehmungen unbekannt war.
Lady Lenham begrüßte ihn mit der kurzangebundenen Frage, wann er eigentlich vorhabe, sich etwas aufzupolieren.
»Ich weiß nicht. Muß ich das?« antwortete er und küßte sie leicht auf die Wange.
»Es hat keinen Sinn, von mir zu erwarten, daß ich dich wieder in die große Welt einführe, wenn du dich nicht ein bißchen verschönst.«
»Dann werde ich es nicht von dir erwarten«, sagte er liebenswürdig. »Ich war nie einer von den Geschniegelten, und jetzt ist es zu spät, meine Gewohnheiten zu ändern, und wenn du glaubst, daß ich in einer Jacke mit Wespentaille und Kragenspitzen bis zur halben Wange gut aussehe, dann geht deine Phantasie mit dir durch, Letty – nimm mein Wort dafür!«
»Alles hat seinen Grund«, erwiderte sie. »Wo hast du alle diese letzten Wochen gesteckt? Erzähl mir ja nicht, daß du dich wieder in Schwierigkeiten hineingeritten hast!«
»Nein, nein, ich habe mich sehr anständig benommen!« versicherte er ihr. »Das muß man so in Bath. Ein verteufelter Ort!«
Sie starrte ihn an. »Du warst ausgerechnet in Bath?«
»Richtig. Ich habe nämlich Leonard Balkings Neffen hingebracht.«
»Ja, du hast mir erzählt, daß du es tun wirst, aber was in aller Welt hat dich dort festgehalten?« fragte sie mißtrauisch.
»Umstände.«
»Oh! Herumschäkern, vermute ich. Na, und was hast du jetzt vor?«
»Mich auf lebenslänglich niederzulassen. Du hast mir gesagt, das sollte ich tun – erinnerst du dich?«
»Was?« rief sie aus. »Versuchst du einen deiner Tricks an mir? Wer ist sie?«
»Abigail Wendover«, antwortete er kühl.
Sie hielt den Atem an. »Das ist doch nicht dein Ernst! Eine der Wendovers?! Miles, die hat doch nie im Leben einen Heiratsantrag von dir angenommen!«
»Nein, aber sie wird.«
»Also entweder ist’s bei dir im Oberstübchen nicht richtig, oder sie unterscheidet sich sehr von der übrigen Familie.«
»Natürlich tut sie das! Du nimmst doch nicht an, ich hätte mich in sie verliebt, wenn das nicht so wäre, oder?«
»Nein, und ich nehme nicht an, daß es ihre Familie auch nur einen Augenblick duldet!«
»Himmel, Letty, was hat denn das damit zu tun?«
Sie lachte. »Du änderst dich nie, Miles! Du hast dich ja nie um jemanden gekümmert, und so wird das auch immer bei dir bleiben! Ich wünsche dir, daß du Erfolg bei deiner Abigail hast. Sie ist die jüngste Schwester, nicht? Ich habe sie nie kennengelernt, aber ich kenne Mary Brede und bin James Wendover und seiner gräßlichen Frau seit Jahren ausgewichen.«
»Ja, das habe ich ebenfalls vor«, sagte er.
Sein nächster Besuch galt einem etwas wohlbeleibten Herrn in der Mount Street, der Miles einen Augenblick ungläubig anstarrte, bevor er hervorstieß: »Calverleigh!«, auf ihn zustürzte und ihm fast die Hand ausrenkte. »Ei, ei, ei! Nach so vielen Jahren! Ich habe dich kaum erkannt, du alter Teufel!«
»Stimmt, auch ich habe dich zweimal ansehen müssen. Du bist schwammig wie ein Säufer, Naffy!«
»Na, wenigstens hält mich keiner für einen verflixten Mohren!« erwiderte Mr. Nafferton.
Nach diesem Austausch von Komplimenten setzten sich die beiden Herren mittleren Alters, eine Flasche zwischen sich, um sich Erinnerungen zu widmen, die – hätten sie das Vorrecht gehabt, sie zu hören – Mr. Naffertons Frau erschreckt und seinen guten Ruf bei seinem Erben beträchtlich verringert hätten.
»Himmel, es macht mich wieder jung, dich wiederzusehen!« sagte Mr. Nafferton etwas sehnsüchtig. »Waren das Tage!«
»Hauptsächlich Nächte«, sagte Mr. Calverleigh. »Wie oft bist eigentlich du im Polizeikotter gelandet? Ich meinerseits kann es nicht zählen. Was ist übrigens aus der ›Tollen‹ geworden?«
»Dolly!« rief Mr. Nafferton aus. »Unglaublich, daß ich vergessen habe, daß sie seinerzeit deine Spezielle war!« Er kicherte. »Die würdest du nicht wiedererkennen! Sie hat vor mehr als einem Dutzend Jahren ein Freudenhaus aufgemacht. Fährt in einem schicken Landauer im Park spazieren, mit ein, zwei ihrer besten Stücke, und sieht wie eine Herzogin aus. Und benimmt sich auch wie eine! Keine gewöhnliche Straßenware in ihrem Etablissement: alles richtiggehend Getarnte! Das heißt, so erzählt man mir!« fügte er hastig hinzu.
Mr. Calverleigh grinste, sagte aber nur: »Puffmutter geworden, ja? Gerissen war sie ja immer schon. Wo liegt denn ihr Etablissement?«
Mit dieser Auskunft versehen, galt sein
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