Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
Vom Netzwerk:
Manieren waren ungezwungen und angenehm, und Miss Selina Wendover wußte von seiner verwitweten Mutter, die bei ihm lebte, daß seiner Liebenswürdigkeit nur die Eleganz seines Geistes und seine verständnisvolle Überlegenheit Konkurrenz machten. Die Vortrefflichkeit seines Charakters war so groß, daß er seiner Mutter noch nie einen Augenblick lang Sorge gemacht hatte. Man hätte annehmen müssen, daß Abby in der ihr bevorstehenden Gefahr, eine alte Jungfer zu werden, die Werbung eines so passenden Freiers hätte willkommen sein müssen, statt daß sie erklärte, sie sei nie imstande gewesen, auch nur die geringste Schwäche für Männer gleichförmiger Tugenden zu empfinden.
    Sie empfand eine solche ganz gewiß nicht für Peter Dunston, Miss Selina Wendover irrte jedoch, wenn sie in deprimierter Stimmung den Verdacht hegte, ihre liebe, aber eigensinnige Schwester wehre sich gegen das Heiraten. Abby war sich der Nachteile ihrer Lage voll bewußt und hatte mehr als einmal die Möglichkeit in Erwägung gezogen, einen Heiratsantrag von Mr. Dunston anzunehmen. Er würde ein gütiger, wenn auch nicht aufregender Gatte werden; er genoß alles Behagen und alles Ansehen eines großen Hauses und eines hübschen Vermögens; und wenn sie ihn heiratete, dann konnte sie in Selinas Reichweite bleiben. Andererseits aber wäre eine solche Heirat ohne jegliche Romantik, und Abby, die in ihrer Jugendzeit den schmeichelhaften Antrag eines Lord Broxbourne abgelehnt hatte, war noch immer der Überzeugung, daß irgendwo jener Mann existiere, für den sie mehr als bloß freundschaftliche Gefühle empfinden würde. Einst hatte sie geglaubt, daß sie ihm früher oder später begegnen müsse. Das war nie geschehen, und es sah allmählich unwahrscheinlich aus, daß dies je der Fall sein würde. Ohne sich morbidem Mißbehagen hinzugeben, war sie doch abgeneigt, einen Ersatz zu akzeptieren, der in ihren Augen nur das Zweitbeste sein konnte.
    Im Augenblick jedoch wurde sie nicht von dieser Frage gequält, da sie mit dem viel wichtigeren Problem beschäftigt war, wie sie Fanny am besten und schmerzlosesten von dem unerwünschten Mr. Calverleigh lösen könnte. Mrs. Grayshott war keine Klatschbase; und da sie eine sehr zurückhaltende Dame war, wußte Abby, daß nur strengstes Pflichtgefühl sie bewogen haben konnte, ihre Abneigung gegen das Weitertragen von Geschichten zu überwinden. Was sie entweder aus eigener Beobachtung oder durch die unschuldigen Enthüllungen ihrer Tochter wußte, hielt sie einfach für zu schwerwiegend, um es Fannys Tante vorzuenthalten. Gleichzeitig, dachte Abigail, die Mrs. Grayshott sachlich zergliederte, verbarg die wohlerzogene Ruhe ihres Betragens eine überängstliche Veranlagung, die sie dazu verleitete, mögliche Gefahren zu übertreiben. Die tragischen Umstände ihres Lebens, gepaart mit einer kränklichen Konstitution, hatten sie nicht zu Optimismus ermutigt. Mit einem Marineoffizier verheiratet und Mutter dreier hoffnungsvoller Kinder, hatte sie jahrelange Trennungen ertragen, in der steten Hoffnung auf eine glückliche Wiedervereinigung, bis ihre Träume durch die Nachricht vom Tode des Captain Grayshott bei der Belagerung von Burgos zerschlagen wurden. Diesem Schlag folgten in nicht ganz einem Jahr Krankheit und Tod ihres jüngeren Sohnes und der Zusammenbruch ihrer eigenen Gesundheit, so daß es kaum überraschte, daß sie eher geneigt war, eine Katastrophe als einen glücklichen Ausgang vorherzusehen.
    Nicht daß sie je ihre Niedergeschlagenheit verraten hätte. Konnte man sie dazu bringen, über ihre Prüfungen zu sprechen, was selten der Fall war, und nur wenigen vertrauten Freunden gegenüber, dann pflegte sie zu sagen, ihr Los sei viel glücklicher als das zahlreicher anderer Soldatenwitwen, da sie laufend von ihrem Bruder unterstützt wurde. Von seiner Liebe und Großzügigkeit konnte sie nicht ohne Rührung sprechen. Er war Kaufmann der Ostindischen Kompanie – aber wie die vornehmsten und altmodischsten Verfechter des Standesdünkels versicherten, ein Herr durch und durch – und ein, wie es allgemein hieß, steinreicher Junggeselle. Er hatte nicht nur seine Schwester durch Schmeichelei und Tyrannei dazu überredet, eine Apanage von ihm anzunehmen, die es ihr ermöglichte, sich mit bescheidener Eleganz in den Edgar Buildings einzurichten, sondern auch das Recht für sich beansprucht, seinen überlebenden Neffen in Rugby und seine einzige Nichte in Miss Trimbles vornehmem Seminar in Bath

Weitere Kostenlose Bücher