Die galante Entführung
so, daß sie mir eine gute Freundin ist, so offen und vertrauensvoll in ihrer Zuneigung – « Die Stimme versagte ihr. Sie schüttelte den Kopf und sagte nach einem kleinen Kampf mit sich: »Ich kann es dir nicht erklären!«
»Das ist nicht im geringsten nötig«, antwortete Abby. »Ich verstehe Sie vollkommen. Haben Sie keine Angst vor mir. Ich verspreche Ihnen, daß ich Fanny nicht den leisesten Verdacht schöpfen lasse, Lavinia hätte ihr Vertrauen verraten. Lassen Sie mich offen mit Ihnen sein! Ich habe allen Grund anzunehmen, daß Calverleigh ein Mitgiftjäger ist, und es ist mir gründlichst klargemacht worden, daß Fanny sich einbildet, eine dauernde Zuneigung zu ihm gefaßt zu haben. Ich weiß nicht, ob Calverleigh hofft, die Zustimmung meines Bruders zu der Verbindung zu gewinnen, aber ich bezweifle es sehr stark. Woher also weht der Wind? Hofft er, meine Unterstützung zu gewinnen? Erlaubt er sich einen Flirt? Oder hat er die Absicht, mit Fanny durchzubrennen?« Sie machte große Augen, als sie den schnellen Blick Mrs. Grayshotts auffing, und ein Lachen zitterte in ihrer Kehle. »Meine liebe Dame – ich habe doch nur Spaß gemacht!«
»Ja, ich weiß, aber – Abby, manchmal frage ich mich, ob unsere Eltern nicht doch recht hatten, wenn sie uns nicht erlaubten, Romane zu lesen. An allem sind die Leihbibliotheken schuld!«
»Daß sie den Mädchen romantische Ideen in die Köpfe setzen?« fragte Abby und lächelte leicht. »Das glaube ich nicht. Ich habe selbst sehr viele solcher Ideen gehabt, und ich durfte nie etwas anderes als höchst lehrhafte Werke lesen. Vielleicht habe ich unrecht, aber ich bin der Meinung, daß ein junges Mädchen – mag es Romanheldinnen, die sich in höchst außergewöhnlichen Lagen befinden, noch so sehr bewundern oder beneiden und sich selbst in solchen Lagen sehen – doch weiß, daß das bloß ein kindliches So-tun-als-ob-Spielen ist und es sich im wirklichen Leben überhaupt nicht wie seine Heldin benehmen würde. Wie die Kinder meiner Schwester, wenn sie mich im Beerengarten gefangennehmen und mir mitteilen, sie seien Räuber und gedächten Lösegeld für mich zu fordern!«
Mrs. Grayshott erwiderte zwar ihr Lächeln, seufzte jedoch und sagte: »Möglich – ich weiß nicht. Aber wenn sich ein Mädchen verliebt, und noch dazu in einen – in einen sogenannten Lebemann, der in der Verführungskunst Praxis hat -?«
»Nun, das weiß auch ich nicht«, sagte Abby, »aber mir scheint, Ma’am, daß Ihr Lebemann, nimmt man an, er sei auf der Suche nach einem Vermögen, wohl kaum ein Mädchen wählen würde, das noch vier Jahre auf seine Großjährigkeit warten muß. Ja, sogar noch acht Jahre, denn Fanny wird erst mit Fünfundzwanzig in den vollen Besitz ihres Erbes kommen. Ich bin in solchen Angelegenheiten nicht sehr erfahren, aber wäre das nicht eine ziemlich lange Zeit, um – um von dieser Erwartung allein zu leben?«
»Weiß er das?« fragte Mrs. Grayshott. »Und weiß Fanny es?«
Mit einem verlegenen Ausdruck hob Abby schnell die Augen. Nach einer kleinen Pause sagte sie: »Nein. Das heißt, das Problem hat sich nie ergeben. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, sie weiß es nicht. Ich sehe, daß es meine Sache ist, Calverleigh aufzuklären – falls es nötig wäre, es zu tun. Inzwischen – «
»Inzwischen«, sagte Mrs. Grayshott mit einem bedeutsamen Lächeln, »nähert sich uns Mr. Dunston, entschlossen, dich mir zu entringen, also verabschiede ich mich von dir. Halte mich nicht für unverschämt, wenn ich sage, ich würde dich sehr gern glücklich verheiratet sehen, Abby!«
Mit diesen Worten ging sie und machte dem Herrn in der blauen Jacke und der Angola-Kniehose die Bahn frei. Er kam herbei und sagte schlicht: »Endlich sind Sie wieder zurück! Bath war eine Wüste ohne Sie.«
Sie wehrte das mit einer lachenden Entgegnung ab; und nachdem sie sich höflich nach dem Ergehen seiner Mutter erkundigt und ein kleines banales Gespräch mit ihm geführt hatte, sagte sie, keineswegs der Wahrheit entsprechend, sie sähe, daß ihre Schwester ihr zuwinke, und verließ ihn.
Miss Wendover, die mit Genugtuung die Anwesenheit des Mr. Dunston in der Trinkhalle bemerkt hatte, seufzte. Wie Mrs. Grayshott, wünschte auch sie sehr, Abby glücklich verheiratet zu sehen, und konnte sich niemanden denken, der zum Ehemann besser geeignet gewesen wäre als Peter Dunston. Er war ein sehr achtbarer Mann, Besitzer eines behaglichen Gutes wenige Meilen außerhalb von Bath; seine
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