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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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Fanny!«
    »Das hat nichts zu sagen. Auch er kennt dich kaum, aber jeder Mensch kann sehen, daß er dich sehr mag!« erwiderte Fanny keck. »Glaubst du, daß er heute abend zu dem Konzert kommt?«
    »Ich habe keine Ahnung«, antwortete Abby. »Bestimmt nicht, wenn der Reitanzug sein einziger Anzug ist!«
    »Der Arme!« sagte Selina, sofort mitleidig gestimmt. »Bestimmt ist er sehr knapp dran!«
    Wie sich das auch immer verhalten mochte, Mr. Calverleigh besaß entweder doch die Mittel oder aber den Kredit, sich mit dem Frack, der Kniehose und den Seidenstrümpfen des korrekten Abendanzugs der Herren zu versehen, denn er erschien wenige Minuten vor Konzertbeginn in den Neuen Gesellschaftsräumen diesermaßen bekleidet und als Begleiter von Mrs. Grayshott. Da er jedoch diesen Anzug ebenso gleichgültig trug wie seinen Reitdreß und mehr Wert auf Bequemlichkeit als auf Eleganz zu legen schien, hätte kein modisch bewußter Mann die geringste Neigung verspürt, den Namen seines Schneiders zu erfahren.
    Miss Abigail Wendover beobachtete seine Ankunft unter den Wimpern hervor und beschränkte daraufhin ihre Aufmerksamkeit auf ihre eigene Gesellschaft. Sie selbst sah – wie ihre Nichte ganz ungehörig sagte – schmuck wie aus dem Schächtelchen aus, in einem der neuen Abendkleider, die sie sich in London hatte machen lassen, aus Kaisermusselin, mit kurzen Ärmeln, tiefem Schulterdekollete, einem schmalen Rock und einem Leibchen, das mit doppelgeflochtenem Band geschmückt war. Das Kleid stand ihrer schlanken Figur bewundernswert gut. Es war ursprünglich nicht Abbys Absicht gewesen, es auf ein bloßes Konzert außerhalb der Saison zu verschwenden; als sie jedoch ihr lila Kreppkleid genauer gemustert hatte, war sie zu der Erkenntnis gelangt, daß es wirklich zu schäbig war, um noch getragen zu werden. Das war zumindest die Erklärung, die sie ihrer überraschten Schwester gab. Was das Haar betraf, so hatte sie es in losen Locken frisiert und eine glänzende Haarsträhne auf die linke Schulter fallen lassen. Was sagte Selina dazu? Es war der letzte Schrei in London, würde aber vielleicht in Bath nicht passend sein? »Oh, meine Liebste, ich habe dich noch nie so hübsch erlebt«, sagte Selina unter einem sentimentalen Tränengeriesel. »So blühend! Ich weiß, du wirst mich gleich fressen, aber ich muß und will es sagen, daß dich niemand für Fannys Tante halten würde!«
    Weit davon entfernt, sich zu ärgern, lachte Abby, warf einen abschätzenden Blick auf ihr Spiegelbild über dem Kamin und sagte aufrichtig: »Nun, eine Schönheit war ich ja nie, aber ein schäbiges Stück bin ich doch noch nicht, nicht wahr?«
    Das dachte bestimmt niemand, der an diesem Abend das Konzert besuchte. In dem achteckigen Raum, in dem man auf die übrige Gesellschaft wartete, erhielt Abby genauso viele Komplimente wie Fanny; und auf ihrem Weg durch den Konzertsaal hatte sie das zweifelhafte Glück, von einem völlig Fremden angestarrt zu werden.
    In der Pause folgte sie Mrs. Faversham nicht sofort in den Nebenraum, wo der Tee serviert wurde, da ihr Mr. Dunston aufgelauert hatte, der mit seiner Mutter am Arm herbeikam. Die Höflichkeit zwang sie, einige Gemeinplätze mit Mrs. Dunsten auszutauschen, und als die Aufmerksamkeit dieser liebenswürdigen, aber seichten Dame von einer ihrer Bekannten beansprucht wurde, sprang ihr Sohn unverzüglich in die Bresche und sagte schlicht: »Schön, wie die Rose ist im Mai! Wissen Sie, daß mir diese Zeile ständig durch den Kopf gegangen ist, seit ich Sie heute abend erblickt habe? Sie überstrahlen alle, Miss Abby!«
    »Leere Komplimente!« sagte eine amüsierte Stimme an Abbys Seite. »Dann können Sie Miss Abigails Nichte nicht gesehen haben!«
    »Sir?« sagte Mr. Dunston wütend. »Ich glaube, ich habe nicht das Vergnügen, Sie zu kennen?«
    »Lassen Sie mich die Herren miteinander bekannt machen!« sagte Abby hastig. »Mr. Dunston, Mr. Calverleigh – Mr. Miles Calverleigh!«
    Mr. Dunston vollführte eine kleine steife Verbeugung, erhielt dafür ein Nicken, und zum erstenmal in seinem schwerfälligen Leben wünschte er, daß die Zeiten, in denen ein Mann auf die geringste Provokation hin gefordert werden durfte, nicht der Vergangenheit angehörten.
    »Ich kam, Sie zu entführen, um mit Mrs. Grayshott Tee zu trinken«, sagte Mr. Calverleigh, nahm Abbys Hand, während er ihr seinen Arm bot. »Sie hütet einen Stuhl für Sie, also kommen Sie!« Er gönnte Mr. Dunston ein weiteres Nicken und ein kurzes

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