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Die galante Entführung

Die galante Entführung

Titel: Die galante Entführung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgette Heyer
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waren alle daheim. Abby, die gerade von einem Einkauf in der Milsom Street gekommen war, legte ihrer Schwester einige Spitzenmuster zu kritischer Prüfung vor. Selina lag auf dem Sofa, und Fanny kämpfte im hinteren Salon mit dem Verfassen eines Akrostichons. Sie sah nicht sofort auf, als Mitton Mr. Calverleigh meldete. Stacy betrat das Zimmer und sagte munter: »Miss Wendover! Was muß ich von Ihnen hören? Mitton erzählt mir, Sie hätten sich nicht wohl befunden, seit ich Sie das letzte Mal sah? Das tut mir ja so leid!«
    Seine Stimme brachte Fannys Kopf mit einem Ruck hoch. Sie sprang auf, rannte fast in das Vorderzimmer und rief mit ungekünstelter Freude aus: »Stacy! Oh, ich dachte, es sei nur Ihr Onkel!«
    Sie streckte ihm die Hände entgegen. Er fing sie in den seinen ein, führte sie nacheinander an die Lippen, mit einer – wie Abby, welche die Leidenschaftlichkeit ihrer Nichte mißbilligend beobachtete, feststellte – routinierten Anmut. »Sie haben mich für meinen Onkel gehalten? Jetzt kommt mir aber der Verdacht, daß eher Sie als Miss Wendover sich nicht Wohl fühlen!« sagte er schmeichelnd. »Ich bin wirklich nicht mein Onkel!« Er drückte ihre Hände leicht, bevor er sie losließ, und ging zum Sofa, vor dem er sich auf ein Knie niederließ. »Liebe Miss Wendover, was war denn los? Ich sehe, daß Sie sehr hergenommen sind, und habe den Verdacht, daß Sie viel zuviel in Trab waren!« Das unterdrückte Lachen in seiner Stimme nahm seinen Worten die Spitze. Selina unterlag dem Charme des liebenswürdigen, kühnen jungen Mannes allzu offensichtlich. Sie schalt ihn wegen seiner Unverschämtheit in der Art einer nachsichtigen Tante und vergönnte ihm einen Bericht über ihre kürzliche Unpäßlichkeit.
    Damit war Abby die Gelegenheit geboten, ihn mit Muße zu studieren. Sie dachte, es sei leicht zu erkennen, warum er Fanny so schnell erobert hatte: Er war schön, und er besaß Leichtigkeit und Gewandtheit, seine Manieren zeichneten sich durch eine hübsche Mischung von Ehrerbietung und Selbstsicherheit aus. Nur in dem leicht adlerhaften Profil konnte sie einige Ähnlichkeit mit seinem Onkel entdecken. In jeder anderen Hinsicht hätten keine zwei Männer einander unähnlicher sein können. Er war nicht über den Durchschnitt groß, aber im Gegensatz zu Miles Calverleighs langen, schlenkrigen Gliedern hatte er eine besonders gute Figur. Bei ihm sah es nicht so wie bei Miles aus, als hätte er sich achtlos in seine Jacke geworfen, sondern sie schien ihm an den Leib gegossen zu sein. Die Kragenspitzen waren so steif, wie Stärke sie nur machen konnte. Seine Halstücher waren nie sorglos geknüpft, sondern immer schön gelegt, ob in dem schlichten Stil à la Napoleon oder in den komplizierteren Falten des geometrischen Stils; und in der Wahl seiner Westen verriet er einen erlesenen Geschmack. So altmodische Leute wie Mr. Faversham mochten ihn ja als einen Stutzer, Dandy, Geck brandmarken, aber ihre instinktive Abneigung gegen die jüngere Generation blendender Modejünglinge führte sie zu weit: Stacy Calverleigh war ein schicker Mensch, aber nicht ganz ein Dandy, denn er machte nur wenige modische Ausgefallenheiten mit. Seine Kragenspitzen mochten ja eine Spur zu hoch, seine Jacken in den Schultern eine Spur zu stark wattiert und in der Taille zu eng eingeschnürt sein, aber er überlud sich nie mit Schmuck oder stieß einfachere Männer dadurch ab, daß er sich beim Schnupfen eines Silberlöffelchens bediente.
    Als er neben dem Sofa kniete, war sein Profil Abby zugewandt, und sie mußte zugeben, daß es von eigenartiger Schönheit war. Als Fanny die Gelegenheit ergriff, in einer Pause in Selinas Geschwätz Stacy ihrer zweiten Tante vorzustellen, und er den Kopf wandte, um zu Abby aufzuschauen, kam er ihr weniger schön vor, ohne daß sie eigentlich wußte, warum.
    Er sprang auf und rief mit einer Knabenhaftigkeit, die für Abbys kritische Ohren einen falschen Beiklang hatte: »Oh! Das ist der Augenblick, auf den ich mich gefreut – und den ich dennoch gefürchtet habe! Ihr ergebenster Diener, Ma’am!«
    »Gefürchtet?« fragte Abby mit hochgezogenen Augenbrauen. »Hatten Sie Anlaß anzunehmen, daß ich eine Gorgo sei?«
    »O nein, bei weitem nicht! Eine höchst geliebte Tante!« Sein allzeit bereites Lächeln kräuselte seine Lippen, während er sprach. Abby, die umsonst eine Spur des Charmes zu entdecken suchte, der in ihr sofort eine Antwort erweckte, wenn der ältere Calverleigh lächelte, erkannte

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