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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ist mir das auch klar geworden. Lucy hat mir am Telefon erzählt, du seist gar nicht so…«
    »Verklemmt?«
    »Naja, sie scheint einen Narren an dir gefressen zu haben.«
    »Das beruht wohl auf Gegenseitigkeit. Sie ist ein wundervoller Mensch.«
    Spätestens als Alex die Erleichterung auf Darwins Gesicht bemerkte, begriff sie, eine Romanze zwischen ihnen beiden wäre unweigerlich zum Scheitern verurteilt gewesen – selbst wenn sie es zugelassen hätte. Jetzt war es an ihr, einen tiefen Schluck aus dem Glas zu nehmen.
    »Wie ich hörte, hat Mortimer dich heute besucht«, brachte der Detektiv das Gespräch in eine andere Richtung.
    Alex berichtete ausführlich von den Ereignissen zwischen ihrem letzten Telefonat und dem Wiedersehen in der Brasserie.
    »Du wirkst erstaunlich gefasst«, stellte Darwin fest, nachdem sie zum Schluss gekommen war.
    Sie wich seinem Blick aus. Wie sollte sie ihm ihre Gefühle erklären? »Mir ist heute etwas bewusst geworden. Etwas Unangenehmes«, antwortete sie grübelnd.
    »Willst du es mir erzählen?«
    »Ich glaube, das sollte ich tun. Susan war meine beste Freundin. Jedenfalls habe ich das immer behauptet. Aber… in Wirklichkeit waren wir einander fremd. Das lag an mir. Seit meiner Kindheit wurde mir immer wieder eingepaukt, dass niemanden etwas angehe, was…«
    »Dass du ein Hermaphrodit bist.«
    »Ja. Es gab nur zwei Menschen, zu denen ich so etwas wie eine gefühlsmäßige Bindung hatte: meine Adoptiveltern. Heute früh war ich geschockt, als ich von Susans Tod erfuhr. Aber dann wurde mir etwas ziemlich Ernüchterndes bewusst. Mein Erschrecken galt weniger der › besten Freundin ‹ , es war blanker Egoismus. Ich meine… letzte Woche bin ich zweimal nur knapp Gevatter Tod von der Schippe gesprungen, und jetzt erwischt es jemanden aus meiner unmittelbaren Umgebung. Das hat mich mehr geschockt als…« Alex schüttelte den Kopf.
    »Und jetzt hast du deshalb ein schlechtes Gewissen.«
    Sie sah ihn direkt an und nickte. Gab es etwa doch mehr Gemeinsamkeiten zwischen Darwin und seiner Schwester, als sie ihm bisher zugetraut hatte?
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen, fügte er hinzu: »Ich besitze zwar nicht Lucys emotionelles Potenzial, aber meiner Meinung nach ist das, was du gerade empfindest, okay. Wenn man seine Gefühle leugnet, dann fressen sie einen irgendwann auf. Stell dich ihnen. Dann geht es dir bald besser.«
    Alex’ Finger kreiste auf dem Rand des Weinglases. Darwins Worte waren wie Balsam auf ihrer wunden Seele. Alles, was sie erwidern konnte, war ein geflüstertes Danke.
    Eine ganze Weile sah er schweigend in ihre Augen. Suchte er nach Worten, um seine nächste Frage zu formulieren?
    »Dein… biologisches Phänomen… Ist das eigentlich genetisch bedingt?«
    »Was sonst? Meinst du, so etwas passiert durch einen Verkehrsunfall?«, antwortete sie und rang sich zu einem Lächeln durch. Sie war froh, dass er das Thema gewechselt hatte.
    »Ehrlich gesagt, halte ich deine violetten Augen tatsächlich für so etwas Ähnliches; für eine atemberaubende Laune der Natur, wenn ich das anmerken darf.«
    Sie zupfte verlegen an ihren Nackenhaaren. »Dankeschön. Und jetzt willst du vermutlich wissen, ob ich noch andere › Abnor mitäten ‹ habe, was?«
    »Nein… Das heißt, wenn du darüber reden willst…«
    »Von meiner Überempfindlichkeit für elektromagnetische Strahlung weißt du ja bereits.«
    »Allerdings. Mein Handy habe ich übrigens ausgeschaltet.«
    »Ist mir nicht entgangen. Außerdem besitze ich ein extrem ausgeprägtes Orientierungsvermögen. Du kannst mich in der Wüste aussetzen, und ich find e immer wieder zur Oase zurück – vorausgesetzt, mein Wasservorrat ist groß genug.«
    Er riss die Augen auf. »So wie bei einer Brieftaube, meinst du?«
    Alex verschoss einen violetten Blitz in seine Richtung.
    »‘tschuldigung. War nur ein Vergleich. Gib bloß Acht, dass kein Forscher hinter deine Begabungen kommt, sonst sperren sie dich in ein Labor und stechen überall Nadeln in deinen Körper. «
    »Ich pass schon auf. Übrigens war das noch nicht alles.«
    »Was denn noch? Kannst du etwa auch fliegen wie eine…?« Er verstummte, als er Alex’ strengen Blick bemerkte.
    »Nein«, antwortete sie. Insgeheim bereitete sein jungenhaftes Staunen ihr sogar Vergnügen. »Ich kann machen, dass meine Haut im Dunkeln leuchtet.«
    Diesmal setzte Darwins Verblüffung mit Verzögerung ein, und er verriet auch gleich warum. »Dann habe ich mich also doch nicht

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