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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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große Eile kehrte der Fahrer in den Wagen zurück. Die Schranke schwang nach oben. Ungefähr dreißig Meter dahinter lag ein braunes Tor, das sich ferngesteuert wie ein Leporello zusammenfaltete. So also sieht das Tor zur Hölle aus, dachte Alex.
    Die Aufnahme in ein Krankenhaus kam ihr komplizierter vor als das Wegschließen eines Menschen ins Gefängnis. Longfellow lieferte die vorbereiteten Papiere nebst der Verhafteten beim Diensthabenden ab. Nachdem seine Handschellen gegen anstaltseigene Exemplare ausgetauscht worden waren, nickte er ihr mit versteinerter Miene zu und verschwand.
    Zwei Vollzugsbeamtinnen erschienen auf der Bühne. Beide waren kräftig gebaut. Die erste trug ein kurzärmeliges Hemd und dunkelblaue Hosen, in denen sie fast wie ein Mann aussah. Die andere – dunkelblonde, hochgesteckte Haare; abschätziger Blick – steckte in einer zu engen Uniformjacke, aus der ein wadenlanger Rock hervorschaute. Ihre unförmige Figur ließ Alex an eine Seekuh denken. Vermutlich konnte diese Frau eine störrische Gefangene allein durch ihr Körpergewicht am Boden fixieren, bis Verstärkung kam.
    »Zum ersten Mal bei uns?«, fragte sie mit süffisantem Grinsen. Ihre Hände beschäftigten sich mit einem Schlagstock.
    Alex antwortete nicht.
    Dem Diensthabenden, einem bierbäuchigen, grau melierten Beamten in den Vierzigern, schien diese unverhohlene Drohgebärde nicht sonderlich zu gefallen, denn in strengem Ton sagte er: »Das ist Ms Alex Daniels. Untersuchungsgefangene. Morgen früh wird sie dem Haftrichter vorgeführt. Es ist schon spät. Sehen Sie zu, dass die Aufnahmeformalitäten nicht unnötig in die Länge gezogen werden, Hammersmith.«
    »Wir haben schon im Radio von ihr gehört, Sir«, erwiderte die Füllige.
    Alex stockte der Atem. So schnell? Hatte Susan etwa gleich sämtliche Rundfunksender im Land informiert? Zuzutrauen wäre es ihr. Vermutlich witterte Susan hinter der Verhaftung eine Verschwörung. Darwinisten aller Länder vereinigt euch, um die Stimme eurer ärgsten Kritikerin hinter Kerkermauern verstummen zu lassen! Dem Daily Mirror wäre so eine Story zuzutrauen. Je länger Alex aber über ihre Verhaftung nachdachte, desto grotesker erschien ihr dieser anfängliche Verdacht.
    »Ärger mit den Medien können wir hier nicht gebrauchen«, erklärte der Diensthabende seinen beiden Untergebenen. »Ms Daniels bekommt keine Sonderbehandlung, weder in der einen noch in der anderen Weise. Haben wir uns verstanden?«
    Die Beamtinnen nickten.
    »Das wäre alles.«
    »Na dann woll’n wir mal«, sagte Hammersmith, die Wärterin mit dem Schlagstock, und deutete mit dem Disziplinierungswerkzeug zur Tür.
    Das nüchterne Ambiente des Frauengefängnisses war dazu geeignet, ein Gefühl der Trostlosigkeit heraufzubeschwören. Alex schritt zwischen ihren beiden Aufpasserinnen über grünen Linoleum hinweg, sah von Ölfarbe ocker und weiß glänzende Wände an sich vorüberziehen, hörte das hallende Klacken ihrer Pumps wie das Einschlagen von Nägeln in einem Sargdeckel. Ein Kanarienvogel hätte in eine m Kohlenkeller auch nicht deplatz ierter sein können als sie hier, an diesem Ort, in ihrem weit ausgeschnittenen schwarzen Abendkleid mit dem langen, ausgestellten Rock.
    Die Wärterin im Beinkleid schloss eine Stahltür auf, in der sich ein viereckiges Fenster aus drahtverstärktem Sicherheitsglas befand. Es war eindeutig keine Zelle. Alex sah die größere der zwei Wärterinnen fragend an.
    »Erkennungsdienstliche Behandlung«, sagte die.
    »Aber Sie haben meine Fingerabdrücke doch schon.«
    »Bleiben Sie ganz ruhig, Herzchen. Das ist die Standardprozedur. Da muss jede durch.« Die Beamtin benutzte wieder ihre Zeigehilfe, um ihr den Weg zu weisen.
    Alex betrat einen Raum, der ebenso nüchtern war wie die Gänge draußen. Der Mantel wurde von ihren Schultern gezogen und auf den Tisch geworfen. Sie musste sich auf einen kalten Plastikstuhl setzen.
    Was folgte, war eine entwürdigende Behandlung, die in einem Fiasko enden sollte. Zunächst wurden von jedem Finger Abdrücke genommen. Im Anschluss gab man ihr ein trockenes Papiertuch, um die Tinte wieder abzuwischen, was aber nicht gelang.
    Nun war es Zeit für die obligatorischen Fotos. Alex wurde vor eine weiße Wand mit aufgemaltem Größenmaßstab platziert. Es stand ihr frei, zu lächeln, aber ihr war zum Heulen zumute. Selbst wenn sie es gewollt hätte, wäre ein Blick in den Spiegel, ein flüchtiges Ordnen des Haares nicht möglich gewesen. Jetzt wusste

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