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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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überraschende Kälte am Hinterteil. Er streckte die Arme mit dem Tablett aus und blickte an sich herab.
    Irgendwo auf dem Weg vom Bett zur Tür musste er sein Badetuch verloren haben.
    »Oh!«
    Sein Handy spielte die Titelmelodie der Serie Starsky & Hutch.
    »Auch das noch!«
    Im Adamskostüm trat er den Rückweg ins Zimmer an. Dabei verfingen sich seine Füße in dem am Boden liegenden Badetuch. Eigentlich war das Schicksal seines Nachtmahls damit beschieden, aber im Karatetraining hatte er gelernt, wie man auch in schwierigen Lagen sein Gleichgewicht bewahrte. Auf wundersame Weise gelang es ihm, das Tablett samt Sandwiches, Kaffee und Orangensaft zu retten.
    »Wozu ein schwarzer Gürtel nicht alles gut ist«, murmelte er, nachdem er alles aufs Bett gestellt hatte. Er streckte sich nach dem Funktelefon aus, das nicht nur dudelte, sondern auf der Glasplatte des Nachttisches auch ganz energisch schnarrte.
    »Hallo?«
    »Mr Shaw, sind Sie das?«
    »Ja.«
    »Hier ist Reena. Sie klingen so gehetzt. Alles in Ordnung bei Ihnen?«
    Darwin stutzte. Reena Baker war die Sekretärin des Vorstandsvorsitzenden von ArtCare. »Alles bestens. Der Chef hat Sie also wieder mal zu Überstunden verdonnert.«
    »Bei uns ist es erst acht.«
    »Viel zu spät für eine schöne Frau, um noch hinter dem Schreibtisch zu sitzen.«
    »Sie sind ein Macho, Darwin.«
    »Ein Gentleman, Reena, der nur ein Kompliment ausspricht, wenn es auch angebracht ist. Was verdanke ich die Ehre Ihres späten Anrufs?«
    »Sind Sie bereit, um vor den Herrn zu treten?«
    »Wie bitte?« Unwillkürlich ließ er erneut den Blick über seinen Körper wandern.
    »War nur bildlich gemeint. Dr. Cadwell möchte Sie gerne sprechen. Bleiben Sie dran. Ich stelle Sie durch. Schönen Abend noch und viel Spaß.«
    Ehe Darwin fragen konnte, was genau sie damit meinte, hatte Reena ihn schon weggedrückt. Der Telefoncomputer von ArtCare spielte ihm We are the Champions von Queen in einer lausigen Synthiversion vor.
    Er fragte sich, was er von dem Anruf halten sollte. Ein Mann wie Dr. Martin Cadwell hatte wirklich Besseres zu tun, als sich in die Arbeit seiner Ermittler einzumischen. Das elektronische Gedudel fand ein jähes Ende. Cadwells Stimme drang aus dem Hörer.
    »Darwin?«
    »Guten Abend, Martin.« Der Chef bestand darauf, von allen Mitarbeitern mit Vornamen angeredet zu werden.
    »Wie kommen Sie voran, mein Junge?« Cadwell war im Frühjahr sechzig geworden und gefiel sich in der Rolle des väterlichen Freunds.
    »Alles Routine bis jetzt. Morgen früh werde ich noch ein Interview mit Professor Stangerl führen und ein paar Mitarbeiter des Museums befragen. Die meisten Dokumente habe ich bereits hier bei mir. Bis jetzt konnte ich keine Unregelmäßigkeiten entdecken.«
    »Wenn ein bei uns versichertes Bild gestohlen wird, dann ist das eine Unregelmäßigkeit, Darwin.«
    »Selbstverständlich, Sir. Darf ich Sie etwas fragen, Sir?« Im Gespräch mit hohen Vorgesetzten fiel Darwin oft unbewusst in den militärischen Ton zurück.
    »Nur zu, mein Junge.«
    »Seit wann kümmert sich der Oberbefehlshaber um die Stiefel seiner Rekruten?«
    »Erstens«, antwortete Cadwell geduldig, »sind Sie bei der RMP kein einfacher Soldat, sondern Kommandeur gewesen, und zweitens interessiere ich mich immer für Angelegenheiten, die für den Erfolg unseres Unternehmens von essenzieller Bedeutung sind. Die Börse hat schon reagiert, nachdem ArtCare an drei aufeinander folgenden Wochenenden mit Millionenforderungen ihrer Versicherungsnehmer konfrontiert wurde. Mich darum zu kümmern ist mein Geschäft, Darwin. Deshalb will ich in dieser unangenehmen Sache ab sofort auf dem Laufenden gehalten werden, und zwar von Ihnen persönlich. Wenn es irgendetwas gibt, das ich für Sie tun kann, dann zögern Sie nicht, es mich wissen zu lassen. Haben wir uns verstanden?«
    »Ja, Sir!«
    »Gut. Ich rufe Sie an, damit Sie Ihre Prioritäten neu setzen können. Es gibt hier etwas zu tun, das dringender ist als Wien.«
    »Doch nicht etwa ein neuer Raub?«
    »Nein. Ich hoffe auch, es wird keinen weiteren geben. Wie schnell können Sie wieder in London sein?«
    »Ich bin auf die Maschine morgen Abend gebucht. Geht kurz nach sieben und müsste so gegen halb neun in Heathrow landen. «
    »Früher geht nichts?«
    »Wie gesagt, die Interviews im Museum…«
    »Die vergessen Sie jetzt mal. Ich schicke einen Kollegen, der sich meinetwegen die ganze Woche mit Ihrem Professor unterhalten kann. Aber Sie brauche ich jetzt hier.

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