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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Hammersmith. Sir, wir haben ein Problem…« Mehr bekam Alex nicht mit, denn in diesem Moment verlor sie die Besinnung.
     
     
    Als Alex die Augen öffnete, wurde sie von grellem Licht geblendet. Es dauerte eine Weile, bis ihre Benommenheit sich einigermaßen verflüchtigt hatte und sie ihre Umgebung wieder deutlich wahrnehmen konnte. Sie lag – ohne Handschellen! – auf einer gepolsterten Unterlage, ihre Finger ertasteten kühles, glattes Kunstleder. Man hatte eine Wolldecke über ihre Blöße gebreitet. Von ihren Kleidern fehlte jede Spur. Dafür entdeckte sie beim Umherblicken zwei Stühle, auf denen Hammersmith und ihre Kollegin Wache hielten.
    »Wenn du dich nicht rührst, tun wir dir nichts«, sagte die Unförmige.
    Alex zog die Decke bis unters Kinn und starrte zu den Neonröhren, die an der Decke vor sich hin brummten.
    Nach fünfzehn oder zwanzig Minuten traf ein übermüdeter, schlecht gelaunter Arzt ein.
    »Ich will nicht mehr untersucht werden«, wehrte sich Alex schwach, als der Mediziner genau diese Absicht kundgetan hatte.
    »Was meint sie mit › nicht mehr ‹ ?«, fragte er in Richtung der Wärterinnen.
    Beide zuckten die Achseln.
    Der Arzt beugte sich über die Gefangene und stellte sich als Dr. Chestnut vor. Dann zog er ohne Vorwarnung die Decke von ihrem Leib. »Wollen doch mal sehen, was wir da haben.«
    Alex versuchte einmal mehr mit Händen und Armen ihre Brüste und Genitalien zu bedecken. »Bitte lassen Sie mich«, bettelte sie.
    »Jeder Neuzugang in Holloway muss untersucht werden«, beharrte Chestnut.
    »Wozu? Ich bin doch gesund.«
    »Das haben schon viele behauptet und sich nachher in ihrer Zelle erhängt. Mir wurde gesagt, dass Sie möglicherweise psychisch labil sein könnten, Ms Daniels. Ich muss feststellen, ob Sie eine Rund-um-die-Uhr-Überwachung benötigen.«
    »Das liegt doch wohl auf der Hand, Doktor«, grunzte Hammersmith.
    Der Arzt blickte über die Schulter zu der Unförmigen hin und erwiderte kühl: »Hier bin immer noch ich der Anstaltsarzt, Thelma. Wenn diese Sache schon nicht bis morgen Früh Zeit hat, dann lassen Sie mich jetzt wenigstens meine Arbeit tun.«
    Hammersmith schwieg.
    Der Arzt deutete über den Kopf seiner Patientin hinweg. »Bitte nehmen Sie dort Platz.«
    Alex eroberte sich die Decke zurück, drückte sie schamhaft an den Körper, richtete sich zum Sitzen auf und blickte in die vom Doktor bezeigte Richtung. Was sie sah, versetzte ihr einen Schock. Sie hatte sich einmal geschworen, ihre Unterschenkel nie wieder auf die Beinauflagen zu packen.
    »Das ist ein Gynäkologenstuhl, Doktor.«
    »Vielen Dank für die Aufklärung. Würden Sie sich bitte darauf setzen?«
    »Inwiefern hilft der Stuhl Ihnen dabei festzustellen, ob ich suizidgefährdet bin?«
    »Das überlassen Sie bitte mir.«
    »Nein.« Alex merkte, wie ihr Herz erneut zu rasen begann.
    »Wie bitte?« Der Arzt war überrascht.
    »Ich werde nicht auf diesen Folterstuhl steigen, damit Sie Ihren Finger in meine Vagina stechen, mich begrabschen und Ihre perverse Neugierde an mir befriedigen können. Wenn Sie mich dazu zwingen, wird mein Anwalt Sie verklagen.«
    »Aber ich muss doch sehr bitten!«, empörte sich der Doktor. »Sie sind es, die gerade die Justiz zu fürchten hat. Sollten Sie auch nur den Versuch unternehmen, mich zu verunglimpfen, dann kriege ich Sie wegen Rufschädigung dran, und Sie zahlen, bis Sie schwarz werden.«
    Alex kannte sich im echten Leben mittlerweile gut genug aus, um die Worte des Arztes nicht als leere Drohung abzutun. Bei einem gerichtlichen Kräftemessen würde sie gegen Chestnut in Bausch und Bogen verlieren. Und trotzdem war sie nicht mehr das kleine, wehrlose Mädchen, das alles mit sich gefallen ließ.
    »Nein«, sagte sie mit fester Stimme und noch einmal: »Nein, Doktor. Ich werde mich mit Leibeskräften gegen diesen Übergriff wehren. Sie haben kein Recht, eine solche Untersuchung zu erzwingen. Sie müssen mich schon krankenhausreif schlagen, um mich auf diesen Stuhl zu bringen. Ob das dann noch dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht, dem selbst Ärzte wie Sie verpflichtet sind? Ich denke, das können Sie ganz gut selbst beurteilen.«
    Der Mediziner funkelte sie erbost an. Unvermittelt wandte er sich den beiden Wärterinnen zu und sagte: »Lassen Sie den Häftling Daniels sich anziehen und bringen Sie ihn in seine Zelle. Er ist suizidgefährdet und hat unter ständiger Beobachtung zu stehen.«
    Hammersmith grinste. »Na, dann werden wir Ihnen mal eine

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