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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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sie, warum es auf den sprichwörtlichen »Verbrecherfotos« keine fotogenen Menschen gab. Noch vom Blitz geblendet, ließ sie sich wieder auf den Stuhl sinken. Vor ihr wurde ein Pappkarton auf den Tisch gestellt.
    »Legen Sie da Ihre persönlichen Habseligkeiten rein«, befahl die Schlagstockschwingerin.
    Alex sah sie entgeistert an.
    »Nun machen Sie schon! Das Handtäschchen, die Uhr, den Schmuck – alles da rein. Die Tampons können Sie weglassen. Darum kümmern wir uns gleich anschließend.« Die Unförmige grinste.
    Wie in Zeitlupe nahm Alex ihren Schmuck ab. In ihr stieg eine Ahnung auf, die sie fast l ä hmte. Wie hatte die Wärterin das mit den Tampons gemeint?
    »Brav«, lobte Hammersmith.
    Alex bemerkte, wie die kleinere der beiden Aufpasserinnen ihre Kollegin mit dem Ellbogen anstieß. Das Flüstern der zwei war nicht wirklich leise.
    »Hast du ihre Augen gesehen?«
    »Bin ja nicht blind.«
    Hammersmith konzentrierte sich wieder auf ihre Arbeit, soll heißen, auf ihre Gefangene. »Und jetzt ziehen wir uns schön aus.«
    Alex traute ihren Ohren nicht. Sie meinte zu spüren, wie sich ihr Puls beschleunigte. »Wozu denn das?«
    »Leibesvisite.«
    »Außer den Kleidern, die ich auf dem Leibe trage, liegt alles in dem Karton.«
    »Ich glaube Ihnen ja, Herzchen, aber so ist leider die Vorschrift. Sie würden staunen, was unsere Gäste schon alles in ihren Körperöffnungen › vergessen ‹ haben, bevor wir ihrem Gedächtnis auf die Sprünge halfen: Springmesser, Kondome voller Drogen…«
    »Und Tampons«, fügte die Kleinere hinzu.
    Alex bewegte sich nicht. Sie fühlte sich dazu außerstande. Ihr Herz pochte wie wild in der Brust. Zu oft hatte sie solche Situationen erdulden, hatte sich für andere zur Schau stellen müssen.
    »Jetzt machen Sie kein Theater, Herzchen«, sagte wieder die Große. Ihre Stimme klang kalt.
    »Ich will mich nicht vor Ihnen ausziehen«, beharrte die Gefangene. Ihr Gesicht war kreidebleich.
    »Wenn Sie sich weigern, dann müssen wir nachhelfen.«
    »Ich habe nichts getan. Wollen Sie eine Unschuldige zusammenschlagen?«
    »In Holloway sind alle unschuldig, Herzchen. Und jetzt fangen Sie an. Die Anweisung des Diensthabenden war doch klar und deutlich. Wir sollen uns sputen; Ms Daniels braucht ihren Schönheitsschlaf.«
    Die kalte Nüchternheit des Raumes erschien Alex mit einem Mal schrecklich vertraut. Die Zimmer der Kliniken, in denen man sie als Kind und später als Jugendliche untersucht hatte, sahen ähnlich aus. Sie presste ihre Handflächen gegen die Oberschenkel, um die Feuchtigkeit vom Stoff des Kleides aufnehmen zu lassen. Das Gefühl, in einem Albtraum gefangen zu sein, wurde übermächtig. Erst langsam, dann zunehmend schneller schüttelte sie den Kopf. »Nein. Ich will meinen Anwalt sprechen.«
    Hammersmith grinste. »Eins nach dem anderen, Herzchen. Erst fallen die Hüllen.«
    »Dazu können Sie mich nicht zwingen.«
    »Was glauben Sie, wo wir hier sind? Natürlich kann ich das.
    Und jetzt runter mit dem Fummel!« Die Wärterin unterstrich ihren Befehl, indem sie den Schlagstock in die linke Handfläche klatschen ließ.
    Das Geräusch löste eine heftige Reaktion aus. Alex sprang vom Stuhl auf. Sie wollte nur hinaus aus diesem Schlachthaus der Gefühle. Aber ehe sie die Tür erreichen konnte, hatten die beiden Wachfrauen sie schon gepackt.
    Alex gebärdete sich wie eine Wahnsinnige. Sie schrie und zappelte und wand sich immer wieder aus dem Griff ihrer Kontrahentinnen heraus.
    »Mein Gott, die ist stark wie ein Kerl!«, keuchte Hammersmith. Sie klang beinahe euphorisch, als habe sie eine solche Herausforderung seit langem vermisst. Wie die Backen eines Schraubstockes schlangen sich ihre Arme um den Körper der Tobenden.
    Wegen der Handschellen konnte Alex sich nicht so frei bewegen, wie es nötig gewesen wäre, um den beiden Wärterinnen zu entkommen. Natürlich war ein solches Unterfangen von vornherein zum Scheitern verurteilt, denn spätestens bei der nächsten Sicherheitspforte hätte die Verfolgungsjagd ein jähes Ende gefunden. Alex spürte einen stechenden Schmerz in der Nierengegend. Eine der Gegnerinnen musste ihr das stumpfe Ende des Schlagstockes in die Seite gerammt haben. Sie gab ihren Widerstand auf.
    »Noch einmal so ein Ausfall, und ich ziehe dir meinen Prügel über den Schädel«, keuchte Hammersmith. Auch die zwei Wärterinnen waren ins Schwitzen gekommen.
    »Habe ja schon eine Menge erlebt, aber so was…!« Die Burschikose schüttelte fassungslos den

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