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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ein Hauch.
    »Ich verstehe nicht… Denken Sie, der Kerl da draußen gehört zu mir?«
    »Woher wissen Sie, dass es ein Mann ist?«
    »Gucken Sie sich seinen Regenmantel an. Frauen haben einen besseren Geschmack.«
    »Dann sind Sie also allein gekommen?«
    »Ja!« Es ärgerte Darwin, dass sie ihn unterschwellig der Lüge bezichtigte. »Vielleicht ist der Bursche von der Presse, irgendein Paparazzo. Sie genießen ja mittlerweile Kultstatus.«
    Anstatt etwas zu erwidern, lief Daniels quer durch den Raum in Richtung Diele. Bei der Glastür blieb sie stehen und drehte sich zu Darwin um. »Es wäre mir lieb… wenn Sie mitkämen.«
    In ihrer oft so forschen Stimme war mit einem Mal etwas Verletzliches, das ihn sofort reagieren ließ. Er folgte ihr in den kleinen Vorraum, blieb aber ein Stück hinter ihr. Sie sah ihn fragend an. Er nickte ihr aufmunternd zu. Dann öffnete sie die Tür nach draußen.
    Er konnte am Kopf der jungen Frau vorbei den Unbekannten auf der anderen Straßenseite sehen. Die Gestalt mit der Melone in der Hand stand wie versteinert, ungeachtet des auf sie niederprasselnden Regens. Unter der Kapuze war immer noch kein Gesicht zu sehen.
    »Was wollen Sie?«, rief Daniels. Jetzt klang ihre Stimme trotzig .
    Der Fremde erwiderte nichts.
    »Warum stehen Sie da rum und starren mein Haus an?«
    Wieder versagte ihr der Unbekannte die Antwort.
    Die junge Frau hielt ihre Arme leicht angewinkelt dicht am Körper, die Hände waren zu Fäusten geballt. Entschlossen trat sie vor die Tür. »Wenn Sie da nicht verschwinden, rufe ich die Polizei!«
    Selbst diese Drohung schien die Gestalt nicht zu beeindrucken.
    Darwin wurde das Spiel zu dumm. Er lief zur Tür, sodass er Daniels über die Schulter schauen konnte, und rief: »Hier gibt es für dich nichts zu holen, Freundchen. Zieh Leine, sonst verbeule ich dir nicht nur deinen Hut.«
    An der Wortwahl hätte er vielleicht noch etwas feilen können, aber das Ergebnis stellte ihn trotzdem zufrieden. Der Fremde wandte sich ruckartig ab und lief in Richtung Rochester Place davon.
    Daniels drehte sich um ihre eigene Achse und war ihrem Beschützer wieder so nah wie bei dessen überfallartiger Ankunft. Darwin glaubte ein Schwanken ihres Körpers zu bemerken, so als habe sie zurückweichen wollen, es sich dann aber doch anders überlegt. Ihre Hand wanderte zum Kopf, versuchte Haare zu ordnen, auf denen Regentropfen im Licht der Dielenbeleuchtung wie Diamanten glitzerten. Er hatte diese Geste der Befangenheit schon so oft an ihr bemerkt.
    Nicht barsch, sondern eher klagend sagte sie: »Ich werde ganz nass, Mr Shaw. Können Sie mich bitte vorbeilassen?«
    Er kam sich vor, als erwache er aus einem Trancezustand. Was war da eben passiert? Mit verlegenem Lächeln zog er sich ins Haus zurück. »Selbstverständlich. Entschuldigen Sie.«
    Daniels lief an ihm vorbei in den Wohnraum. Darwin folgte ihr eher verhalten. Benommen. Als er das Zimmer betrat, war sie nirgendwo zu sehen.
    Von irgendwo drang ein Klappern an sein Ohr. Kurz darauf kam Daniels die gläserne Treppe hinab, die Haare getrocknet und frisch verwuschelt, das Gesicht verschlossen. Sie murmelte eine Entschuldigung.
    »Verzeihen Sie bitte, aber der Regen…« Sie beließ es einmal mehr bei der Andeutung ihrer Gedanken.
    Darwin räusperte sich. Er verspürte den unbändigen Drang, in eine Schokopastille zu beißen oder irgendetwas anderes zu tun, als seine Gastgeberin anzustarren. »Sollen wir für heute Schluss machen?« Ja, das war – auch wenn es sich nicht danach anhörte – zumindest ein Anfang.
    »Wäre vielleicht das Beste«, antwortete sie leise und blickte dabei an ihm vorbei zum Fenster.
    »Können wir unser Gespräch morgen fortsetzen?«
    Sie umschlang wieder ihren Leib mit den Armen und massierte sich die Schulter. »Ich weiß noch nicht. Da habe ich vielleicht schon etwas vor.«
    »Die Zeit brennt mir unter den Nägeln, Ms Daniels, ich…«
    »Das ist mir klar!«, unterbrach sie ihn überraschend heftig. Er glaubte ein Zittern in ihrer Stimme wahrzunehmen. Sie wich seinem fragenden Blick aus, sah erneut zum Fenster und fügte beherrschter hinzu: »Rufen Sie mich an.«
    »Das habe ich seit gestern mindestens hundertmal versucht.«
    »Lassen Sie es dreimal klingeln, legen Sie dann auf und wählen Sie anschließend neu.«
    Er nickte. War das eben ein Vertrauensbeweis gewesen? Ihr Zustand machte ihm Sorgen. »Kommen Sie klar?«
    Ihre geheimnisvollen violetten Augen wandten sich vom Fenster ab und blickten

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