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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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› Gehirn ‹ herumspuken…«
    Alex schwieg. Sie überlegte, ob sie einfach auflegen sollte.
    »Ms Daniels?«
    »Ja?«
    »Verschweigen Sie etwas?«
    »Ja, sicher.«
    »Dann sagen Sie es mir bitte.«
    Sie schöpfte tief Atem. »Ich habe Ihnen bereits in Holloway erklärt, dass Sie wie diese Leute denken lernen müssen. Wir haben mit dem Unterricht gerade erst begonnen. Seien Sie nicht wie der Schläfer in Magrittes Bild.«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Der Schläfer ist, wenn man so will, die Klammer, die alles zusammenhält. Wenn die anderen sechs Bildelemente Traumsymbole sind, dann wäre es eigentlich richtiger, ihn als Träumer zu interpretieren.«
    »Und was schließen Sie daraus?«
    »Im Bild vom Träumenden verbirgt sich die Fragestellung: › Was ist für mich real? ‹ Ich vermute, das › Gehirn ‹ hat das Bild von Rene Magritte auch deshalb ausgewählt, weil es uns auffordern will, die Augen zu öffnen und endlich die Wahrheit zu erkennen.«
    »Die Wahrheit? Was für eine Wahrheit? Geben Sie mir einen Tipp. Irgendetwas, das mir dabei hilft, den nächsten Einbruch zu vereiteln.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Können oder wollen Sie nicht?«
    »Ich spüre nur das Grundrauschen, kann aber die Nachricht nicht lesen.«
    »Und was ist dieses › Grundrauschen ‹ ?«
    »Das habe ich Ihnen bereits zu erklären versucht. Ich denke, das › Gehirn ‹ will uns eine Lektion erteilen, denn allein mit Wissenschaft und Technik können wir den Fall nicht lösen. Man kann Gehirnströme und Augenbewegungen erfassen, aber nicht das subjektive Empfinden des Träumenden. Doch ist es deshalb etwa irreal? Oder kennen Sie irgendeine naturwissenschaftliche Methode, mit der Sie den Satz › Ich liebe dich ‹ objektiv vermessen und gewichten können?« Alex klappte den Mund zu. Was hatte sie da eben gesagt? Sie lauschte in den Hörer. Kein Laut drang heraus.
    Nach einer ihr unendlich erscheinenden Zeit antwortete eine irgendwie belegt klingende Stimme: »Wird dieses… › Gehirn ‹ mit uns das Spielchen ewig so weitertreiben, oder ist da irgendwann ein Ende abzusehen?«
    »Ich fürchte, er könnte es auf insgesamt sieben Kunstwerke abgesehen haben.«
    »Sieben? Warum nicht sechs oder acht?«
    Alex zögerte. Sie musste an die Worte aus Theos zweitem Kassiber denken: Sofern es weitere spektakuläre Kunstdiebstähle geben wird, wovon ich ausgehe,… kann auch für uns jeder Museumseinbruch zu einem Schöpfungstag werden, und alle zusammen vermögen in den Köpfen der Menschen eine neue Welt erstehen zu lassen.
    »Weil«, sagte sie bedächtig, »es sich hier um eine Kette von Botschaften handelt, die ihre Kraft erst in ihrer Gesamtheit entfalten. Überlegen Sie doch! Wir haben es hier womöglich mit Menschen zu tun, die den Bericht der Genesis ziemlich wörtlich nehmen – denken Sie an Cranachs Paradies. Gemäß der Genesis wurde alles Leben auf der Erde in sechs Tagen erschaffen, und auf der Tafel in Magrittes Gemälde finden sich sechs Symbole.«
    »Und wie kommen Sie dann auf eine Serie von insgesamt sieben Einbrüchen?«
    »Wegen der roten Wolldecke, die den unachtsamen Schläfer bedeckt. Decke und Träumer sind das siebte Symbol. Außerdem spricht die Bibel von insgesamt sieben Tagen. Am siebten, heißt es dort, ruhte Gott von all seinem Werk. Er ruhte, Mr Shaw, genauso wie der Träumer im Gemälde. Lernen Sie endlich wie diese Leute zu denken. Nur so werden Sie ihnen zuvorkommen und ihrem Treiben ein Ende setzen können.«
    »Und Sie glauben, Sie können das?«
    »Möglicherweise bin ich die Einzige, die es kann und auch bereit ist, es Ihnen zu vermitteln.«
    »Mich würde der Grund interessieren.«
    »Das glaube ich Ihnen. Aber der Grund gehört nicht zu unserem Handel. Entweder Sie und Ihr Arbeitgeber vertrauen sich mir an, oder ArtCare lässt sich weiter von diesen Leuten ausplündern.«
    »Ein Handel?«, tönte es verwundert aus der Ohrmuschel.
    »Ich will weiter in Presseartikeln über den Stand der Ermittlungen berichten dürfen.«
    »Das könnte Detective Superintendent Longfellow nicht gefallen.«
    »Ich will keine Geheimnisse verraten oder irgendetwas, wodurch die Ergreifung der Täter behindert wird, sondern der Öffentlichkeit nur die Galerie der Lügen näher bringen. Wenn ich mich wieder mit Ihnen treffen soll, dann schlagen Sie ein.«
    Ein vernehmliches Ausatmen drang an ihr Ohr. »Also schön.
    Die Medien verbreiten inzwischen ohnehin jede mögliche Spekulation zu den Hintergründen der Einbruchsserie.

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