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Die Galerie der Lügen

Titel: Die Galerie der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Milliarden Jahren Bakterien auf unserem Planeten.«
    »Stimmt. Dann ist es vielleicht doch nicht so unwahrscheinlich.«
    »Wie man’s nimmt. Man hat ausgerechnet, dass auf der Erde maximal zehn hoch sechsundvierzig Bakterien existiert haben können. Multiplizieren Sie diese Zahl mit der Unwahrscheinlichkeit der achtundzwanzig passenden Veränderungen im antriebslosen Bakterium, dann kommen Sie auf eine Eins mit vierundneunzig Nullen.«
    »Klingt immer noch sehr unwahrscheinlich.«
    »Wohl wahr! Sie können es drehen und wenden, wie Sie wollen. Sogar wenn Sie nur annehmen, dass fünf Gene mit jeweils nur drei Veränderungen einen funktionsfähigen Antrieb zusammensetzen könnten, und das nur ein einziges Mal in der gesamten biologischen Erdgeschichte, dann wäre die Wahrscheinlichkeit, im Lotto zu gewinnen, noch immer eine Trilliarde mal größer.«
    »Eine Trilliarde?«
    »Das ist eine Eins mit einundzwanzig Nullen.«
    »Danke für den Hinweis.«
    »Vielleicht können Sie jetzt in etwa erahnen, welche Abgründe sich auftun, wenn schon ein Detailproblem derart gewaltige Löcher in die darwinistische Argumentation reißt. Der Astronom und Mathematiker Sir Fred Hoyle hat zusammen mit dem Astrophysiker Chandra Wickramasinghe errechnet, dass die Wahrscheinlichkeit einer spontanen Bildung von Leben aus unbelebter Materie bei eins zu einer Zahl mit vierzigtausend Nullen liegt – einer Zahl, wie Sie betonen, die groß genug sei, Charles Darwin und die gesamte Evolutionstheorie zu begraben.«
    Darwin blinzelte verwirrt. Er fühlte sich von den vielen kugelrunden Ziffern regelrecht erschlagen.
    Möglicherweise sah ihm seine Gastgeberin die Verunsicherung an, denn ihre tiefe Stimme klang geradezu sanft, als sie hinzufügte: »Ich will Sie mit diesen Dingen nicht unnötig quälen, Mr Shaw. Es erschien mir nur wichtig, weil der Unachtsame Schläfer mit seiner Botschaft frontal gegen Charles Darwins Theorie schießt.«
    Der Detektiv griff nervös nach einer braunen Schokolinse. »Wenn Sie mit Ihrer Kreationisten-Hypothese Recht haben, dann wird in Magrittes Bild doch bestenfalls ein einziges Problem kritisiert.«
    »Unterschätzen Sie nicht die Tragweite dieses › einzigen Problems ‹ , Mr Shaw. Charles Darwin gesteht in seinem Hauptwerk, Die Entstehung der Arten durch natürliche Zuchtwahl: › Ließe sich das Vorhandensein eines zusammengesetzten Organs nachweisen, das nicht durch zahlreiche aufeinander folgende geringe Abänderungen entstehen könnte, so müsste meine Theorie zusammenstürzen .‹ «
    »Das hat er geschrieben?«
    »Ich kann Ihnen das Buch gerne ausleihen.«
    »Nicht nötig.«
    Daniels wanderte zum Fenster zurück. Ohne sich zu Darwin umzudrehen, sagte sie: »Wegen der erwähnten Probleme glauben einige Wissenschaftler, die nicht zu vereinfachende Komplexität in den hochkomplizierten molekularen Maschinen sei ein Designmerkmal.«
    »Sie meinen so etwas wie eine Signatur Gottes?«
    »Das haben Sie gesagt. Das Codebuch des › Gehirns ‹ ist jedenfalls kein Zufall, und unser Gegner möchte, dass wir das auch wissen. Aber wie bei den Analogien in der Natur können Sie den Magritte mit einem anderen Denkansatz auch auf eine Ihnen angenehmere Weise interpretieren. Es steht Ihnen frei…«
    Die Stimme der jungen Frau erstarb. Sie stolperte einen Schritt zurück, die Arme eng um den Körper geschlungen, und wirkte mit einem Mal starr wie eine Holzpuppe.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Darwin.
    Daniels antwortete nicht.
    Er hievte sich aus dem tiefen Sessel hoch und trat hinter sie, um dem Blick ihrer Augen folgen zu können. Dann sah er, was sie beunruhigte.
    Draußen auf der anderen Straßenseite stand jemand. Die Person war kaum zu erkennen, weil ein Vorhang aus Regenperlen sie verhüllte und das Tageslicht seinen Wachdienst längst an eine vereinsamte Straßenlaterne abgetreten hatte. Ein Auto fuhr vorbei und beleuchtete mit seinen Scheinwerfern kurz die Gestalt. Sie trug einen langen schwarzen Regenmantel, ihr Gesicht lag im Schatten einer Kapuze. In der rechten Hand hielt sie einen Bowler, keinen Regenschirm.
    Darwin merkte, wie der Leib der jungen Frau bebte. Er stand dicht hinter ihr. Einem spontanen Reflex folgend, hob er die Hand, um sie auf ihre Schulter zu legen, hielt aber jäh inne. Ihm war eingefallen, wie heftig sie im Frauengefängnis auf eine ähnliche Geste reagiert hatte. Langsam zog er den Arm wieder zurück.
    »Wer ist das?«, wisperte Daniels unvermittelt. Ihre Stimme war nicht mehr als

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