Die Galerie der Lügen
gekommen. Aber die Antwort lautet: Nein.«
»Wie…? Du weißt doch gar nicht, was ich dich fragen wollte.«
»Ob es eine DNA-Analyse von Terri Lovecraft gibt. Ich habe dir gestern schon gesagt, dass es ein paar Tage dauern…«
»Deshalb rufe ich nicht an.«
»Hast du etwa schon die Fortsetzung deiner gestrigen Pressemitteilung fertig?«
»Nein. Obwohl es an Stoff nicht hapert, aber etwas anderes hat höhere Priorität. Kannst du mir die Adresse von Terri Lovecraft besorgen? Eure Lokalredaktion müsste sie doch haben.«
»Das ließe sich bestimmt machen. Willst du einen Geist besuchen?«
»Vielleicht.«
»Du glaubst tatsächlich, dass diese Frau deine Zwillingsschwester ist, stimmt’s?«
»Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich glauben soll. Rufst du mich zurück?«
»Geht klar. Sobald ich in der Redaktion bin, schaue ich, was ich für dich tun kann.«
»Nett von dir. Bis gleich.«
Nachdem Susan die Verbindung getrennt hatte, ließ Alex das Telefon auf dem Lederpolster liegen und stieg über die gläserne Treppe zum Schlafzimmer hinauf. Sie öffnete das Fenster, um den Mief der letzten Nacht hinauszuscheuchen, und verbrachte die nächsten fünfzehn Minuten vor dem Kleiderschrank.
Nach reiflichem Zögern entschied sie sich für ein Paar legere, schwarze Baumwollhosen und einen Pullover aus hellgrauer Alpakawolle. Sie entledigte sich der Jogginghose und des T-Shirts. Während sie noch überlegte, ob sie der Form halber einen BH anziehen sollte, klingelte das Telefon.
Aufgeschreckt rannte sie in ihren seidenen Boxershorts zum Flur hinaus und von dort ins Arbeitszimmer, wo sie einen zweiten Apparat hatte. Sie riss den Hörer ans Ohr.
»Hast du sie?«
»Wen?«, fragte eine voll tönende Stimme.
In einem unbewussten Reflex schnappte sich Alex ein Blatt Papier und bedeckte damit, mehr schlecht als recht, ihre Brüste. »Mr Shaw?«
»Ich hatte doch gesagt, ich werde mich melden.«
»Ja, aber so schnell…« Sie spürte, wie ihr Puls auf Touren kam.
»Können wir uns treffen?«
»Jetzt?«
»Wäre mir recht.«
»Das geht nicht.«
»Warum? Es muss nicht wieder bei Ihnen sein, wenn Sie…«
»Ich habe schon etwas vor.«
»Hoffentlich keine Reise.«
»Was? Wie kommen Sie darauf?«
»Schon vergessen? Sie sagten: › Hast du sie? ‹ Waren damit Flugtickets gemeint?«
»Sie haben eine blühende Fantasie, Mr Shaw. Ihr Freund Longfellow hat mir verboten, die Stadt zu verlassen.«
»Wann wäre es Ihnen recht?«
»Was?«
Sie vernahm ein Schnaufen im Hörer. »Ich muss dringend mit Ihnen reden, Ms Daniels. Unser Gespräch gestern Abend war ganz aufschlussreich, hat mich aber nicht wirklich vorangebracht.«
Alex empfand diese Feststellung wie eine Ohrfeige. »Nicht?«
»Entschuldigen Sie, wenn ich da irgendwas nicht mitbekommen habe, aber Sie redeten über so viele verwirrende Dinge. Mir leuchtet ja noch ein, dass Magrittes Unachtsamer Schläfer eine Routenbeschreibung des geheimnisvollen Unbekannten ist, den Sie das › Gehirn ‹ nennen. Aber die anderen Dinge: Der Spiegel als Achtungsschild – wovor soll er warnen?«
»Es gibt viele Interpretationsmöglichkeiten für Spiegel, die in Träumen vorkommen.«
»Das habe ich befürchtet. Können Sie mir eine oder zwei nennen, die mich im Fall weiterbringen? Mein Boss macht mir ziemlich die Hölle heiß.«
Alex zögerte. Warum muss er ausgerechnet nach dem Spiegel fragen?
»Ms Daniels? Sind Sie noch da?«
»Ja.«
»Haben Sie meine Frage…?«
»Der Spiegel zeigt oft die unbewussten Seiten des Träumenden. All die Dinge, vor denen er eventuell erschrecken kann.«
»Heißt das nun, er findet Hermaphroditen zum Erschrecken oder die Abstammungslehre der Darwinisten? «
Sie holte tief Luft, versuchte ihrer Stimme Festigkeit zu verleihen . »Wie wäre es, wenn Sie auch mal selber ein bisschen nachdenken, Mr Shaw.«
»Warum sind Sie so gereizt?«
»Weil ich einen Anruf erwarte.«
»Das ist mir schon klar. Sie sprachen von vielen Interpretationsmöglichkeiten. Was kann das Traumsymbol › Spiegel ‹ denn noch bedeuten?«
Sie schloss die Augen. Hatte es einen Sinn, Shaw vorzuenthalten, was sie wusste? Nachdem sie ihn auf die richtige Fährte gesetzt hatte, würde er es ohnehin früher oder später herausfinden. Aus der sicheren Dunkelheit ihrer geschlossenen Lider heraus antwortete sie: »Der Spiegel könnte auch ein Hinweis auf die Einsicht sein, sich den eigenen Schattenseiten stellen zu müssen.«
»Hm. Fragt sich nur, welche Dämonen in dem
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