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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Stadttore hinter sich zu lassen, ehe die Abendglocken
läuteten. Eine Gruppe Ratsherren in langen, mit reichen Pelzen
verbrämten Mänteln wurde grob verspottet von einer Schar
Gecken, die vor lauter Gold und Satin und billigem Schmuck
funkelten; die Luft war schwer von ihrem noch billigeren
Parfüm. Ein Trupp Reiter kam von den Feldern, mit Falken auf
den Fäusten. Der Blutdurst der wilden Vögel war gestillt,
und ruhig hockten sie unter ihren Hauben. Cranston blieb vor einem
Barbierladen stehen und befingerte sich Bart und Schnurrbart, aber
ein Blick auf das dampfende Blut in der Schüssel neben dem
Stuhl ließ ihn anderen Sinnes werden, und sie gingen
weiter. 
    »Kennt Ihr das
Haus, Sir
John?«      
    Cranston nickte und
streckte den Zeigefinger aus. »Dort. Das ist Springalls
Haus.«
    Athelstan blieb stehen
und faßte Cranston beim Ellbogen. »Sir John, einen
Augenblick.« Er zog den verwunderten Coroner in einen dunklen
Hauseingang.
    »Was ist,
Mönch?«
    »Ich bin
Ordensbruder, Sir John. Merkt Euch das bitte. Ein Mitglied des
Predigerordens, gegründet vom heiligen Dominikus, auf
daß er den Armen helfe und die Unerleuchteten
lehre.«
    Cranston strahlte.
»Nun weiß ich Bescheid. Was ist also, Bruder?«
»Sir John, die Vollmachten - wir sollten sie uns einmal
ansehen.«
    Der Coroner zog eine
Grimasse, holte aber die Schriftstücke hervor, die Fortescue
ihm gegeben hatte. Er erbrach die Siegel und öffnete
sie.
    »Nicht
viel«, murmelte er, nachdem er sie überflogen hatte.
»Es ist die Vollmacht zur Untersuchung der Umstände von
Sir Thomas Springalls Tod und die verbindliche Aufforderung an alle
treuen Untertanen, im Namen dieser Treue alle unsere Fragen zu
beantworten.« Er warf Athelstan einen scharfen Blick zu.
»Ich frage mich, ob das die Söhne des Dives mit
einschließt?«
    Der Ordensbruder
zuckte die Achseln.
    »Ihr kennt die
Stadt besser als ich, Sir John. Jedes Handwerk hat seine Zunft,
jeder Hexenzirkel seinen Schutzpatron. Ich vermute, die Söhne
des Dives ist ein Titel zur Tarnung der weniger heilsamen
Geschäfte einiger unserer reichen Kaufleute - eine
Verschwörung, die nicht Verrat, sondern Profit
will.«
    Cranston grinste und
trat aus der Tür.
    »Dann komm,
getreuer Dominikaner, laß uns mehr
herausfinden!«

Kapitel 2
    Das Haus war ein
schönes, freundliches Gebäude, ganz ähnlich dem des
Lord Fortescue, obwohl heute große schwarze Fahnen aus
kostbarstem Leinen aus den oberen Fenstern wehten und das breite
Schild des Goldschmieds über dem Haupttor mit schwarzem Damast
bedeckt war. Ein alter Diener, gekleidet wie der Tod
persönlich, öffnete die Tür. Sein Gesicht war
tränennaß und seine Augen vom Weinen
gerötet.
    »Sir John
Cranston, der Untersuchungsrichter, und Bruder Athelstan«,
sagte der Ordensbruder leise.
    Der Mann nickte und
führte sie durch einen dunklen Korridor in den großen
Bankettsaal, der ebenfalls schwarz verhangen war. Als sie über
das schwarz-weiße Schachbrettmuster des Fliesenbodens
schritten, hatte Athelstan das Gefühl, das Tal der Schatten zu
betreten. Schwarze Tücher verbargen Gobelins und Bilder an den
Wänden. Die Luft erschien dick und schwer, nicht wegen der
Wärme und des stickigen Tages — nein, es war etwas
anderes, was ihm die Nackenhaare sträubte und ihn
frösteln ließ. Cranston dagegen stapfte
schwerfällig vorwärts und starrte triefäugig eine
Gruppe von Leuten an, die auf der Estrade am Ende der Halle um
einen Tisch saßen. In der Mitte des Tisches blinkte ein
großes silbernes Salzfaß wie ein Leuchtturm im
flackernden Kerzenlicht. Das kleine Erkerfenster über dem
Tisch ließ ein wenig Licht herein, aber Athelstan konnte
niemanden deutlich erkennen. Schatten umhüllte die Gruppe. Man
sprach leise miteinander, aber die Gespräche verstummten, als
Cranstons massige Gestalt näher kam.
    »Kann ich Euch
helfen?«
    Cranston blieb wie
angewurzelt stehen, und Athelstan wäre beinahe gegen ihn
geprallt, als beide sich der Sprecherin zuwandten. Eine junge Frau,
die in einer Fensternische gesessen hatte, stand auf und ging auf
sie zu.
    »Ihr seid
...?« fragte Athelstan.
    »Sir Thomas
Springalls Gattin«, antwortete die Frau kühl und trat
ins Licht.
    Guter Gott, dachte
Athelstan. Sie war schön. Das Gesicht glich einer
liebreizenden Vision mit dunkel umrandeten Augen. Das Antlitz eines
Engels wie die in den bunten Fenstern der Abteikirche. Ihre
schlanke Gestalt war makellos und ihre Haut wie poliertes Gold. Sie
hatte rotes Haar, und ihre

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