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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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Recht trug. Wo man auch stand, jeder Schritt
verursachte ein tiefes, leicht melodiöses Klingen,
ähnlich dem Geräusch von einem Dutzend Bogensehnen, die
gleichzeitig gespannt werden. Gleich links lag Lady Isabellas
Zimmer; das mittlere gehörte Lady Ermengilde, und das letzte
Sir Thomas. Darin herrschte jetzt eine furchtbare Unordnung. Der
Fußboden vor der Tür war gesplittert, die Tür
selbst aus den ledernen Angeln gebrochen und hing schief am Rahmen.
Sir Richard schickte den Wache stehenden Diener weg und schob die
Tür mit Buckinghams Hilfe vorsichtig
beiseite.       
    Athelstan sah sich um.
Die Gesellschaft aus der Halle war mitgekommen und ließ die
Galerie der Nachtigall ihr seltsames Lied singen. »Wo ist
Pater Crispin?« fragte er. »Und Dame
Ermengilde?«
    »Unten in der
Halle«, brummte Allingham. »Der Priester hat von Geburt
an einen verwachsenen Fuß. Manchmal bereitet ihm das
Treppensteigen Schmerzen. Und Dame Ermengilde ist alt. Die beiden
lassen sich entschuldigen.«
    Athelstan nickte und
folgte Cranston in das Todeszimmer. Der Raum war vollkommen
quadratisch, die Decke hatte ein sauberes Muster: Die schwarzen
Balken bildeten einen scharfen Kontrast zum weißen Putz. Die
Wände waren gekalkt und mit teuren farbigen Gobelins
behängt, auf denen Szenen aus dem Alten und Neuen Testament
dargestellt waren. Teppiche gab es nicht, aber die Binsen auf dem
Boden waren sauber, trocken und mit frischen Kräutern
bestreut. Ein kleiner Schrank war da, eine große Kiste und
zwei kleine Truhen am Fußende des mächtigen,
vierpfostigen Bettes. Neben dem Bett stand ein kleiner Tisch; der
Becher stand noch darauf, und drüben vor dem Fenster, auf
einer marmornen Tischplatte, war das erlesenste Schachspiel
aufgebaut, das Athelstan je gesehen hatte. Sir Richard bemerkte
seinen Blick, und in diesem Moment kam Pater Crispin
hereingehumpelt.
    »Die
Syrer«, erklärte Sir Richard.
    Athelstan, ein
begeisterter Schachspieler, ging hinüber und betrachtete die
Figuren. Die Syrer waren von prachtvoller Schönheit. Jede
einzelne der etwa neun Zoll hohen Figuren war ein Erzeugnis
großartiger Handwerkskunst aus Gold und Silberfiligran.
Athelstan pfiff leise und schüttelte voller Bewunderung den
Kopf.
    »Wie
schön«, murmelte er. »So herrliche Figuren habe
ich noch nie gesehen.«
    Sir Richard war ihm
gefolgt und nickte.
    »Vor hundert
Jahren ging ein Springall, einer unserer Vorfahren, mit König
Edward I. auf einen Kreuzzug ins Heilige Land. Er
machte sich einen Namen als großer Krieger. In Outremer gab
es die geheime Sekte der Assassinen, geführt von einer
mysteriösen Gestalt, die überall nur >Der Alte vom
Berge< genannt wurde.«
    Er richtete sich auf
und schaute hinüber zu Sir John, der, aufmerksam beobachtet
von allen anderen, schwankend mitten im Raum stand; Sir Richards
Bericht lauschte man nur mit halbem Ohr. Dieser hob spöttisch
die Braue. »Nun, die Mitglieder dieser Sekte bekamen
Haschisch zu essen und wurden dann ausgesandt, jeden zu töten,
dessen Untergang ihr Führer bestimmt hatte. Sie hatten Burgen
und geheime Orte hoch oben in den Bergen. Unser Vorfahre fand einen
davon, belagerte, eroberte und zerstörte ihn. Er machte
stattliche Beute, und zum Lohn für seine Tapferkeit erlaubte
ihm der englische König, dieses prachtvolle Schachspiel zu
behalten. Mein Bruder«, fügte er leise hinzu, »war
ein begeisterter Spieler.«
    »In der Nacht
des Todes war er mitten in diesem Spiel«, warf Pater Crispin
ein und kam näher. »Sir Thomas war so zornig auf
Brampton, daß ich ihm vorschlug, sich mit einer Partie zu
besänftigen.«
    Athelstan
lächelte.
    »Habt Ihr
gewonnen, Pater Crispin?«
    »Wir haben das
Spiel nicht zu Ende gebracht«, murmelte Pater Crispin.
»Wir mußten es wegen des Banketts unterbrechen. Ich
bedrohte seinen Läufer - seinen Bischof, wie andere
sagen.« Der Priester blickte auf, und seine Augen
lächelten. »Es ist ja so leicht, einen Kirchenmann in
die Enge zu treiben, nicht wahr, Bruder?«
    »War Sir Thomas
auch dieser Meinung?«
    »Nein, er war
wütend«, unterbrach Lady Isabella. »Während
des Banketts zerbrach er sich ständig den Kopf darüber,
wie er aus dieser Klemme herauskommen
könnte.«
    Athelstan nickte und
ging zu Cranston hinüber, der die zertrümmerte Tür
anstarrte.
    »Verschlossen
und verriegelt?« murmelte der Coroner, » ja«,
antwortete Buckingham.
    Cranston ging zur
Tür, hockte sich nieder, um sie zu untersuchen, nickte und
rappelte sich wieder auf.
    »Und

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