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Die Galerie der Nachtigallen

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Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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auf ihren Reichtum, ihre Macht und
ihre Freunde bei Hofe oder im Schatzamt.
    »Sir Thomas hat
Brampton gut behandelt?« erkundigte sich Athelstan.
»War er ein guter Herr?«
    »Einen
freundlicheren Gentleman gab es nicht«, antwortete Allingham.
»Sir Thomas spendete großzügige Almosen für
die Armen der Pfarrgemeinde von St. Bartholomew, für die Gilde
und«, so endete er verachtungsvoll, »für
Ordensbrüder wie Euch.«
    »Wieso kam es
dann zu einem so heftigen Streit mit Brampton? War dergleichen
schon einmal vorgekommen?« Allingham zauderte: Darauf war er
nicht vorbereitet gewesen.
    »Nein«,
murmelte er schließlich. »Nein, so etwas hatte es noch
nicht gegeben. Höchstens
Meinungsverschiedenheiten.«
    »Lady
Isabella«, sagte Athelstan. »Euer Gemahl — war er
beunruhigt oder aus irgendeinem Grund besorgt?«
    Sir Richard
tätschelte Lady Isabellas Handgelenk zum Zeichen, daß er
ihr die Antwort abnehmen würde. »Er machte sich Sorgen
wegen des Krieges und wegen der zunehmenden Piraterie im Kanal. Er
hatte in letzter Zeit zwei Schiffe an Piraten der Hanse verloren.
Und die wachsenden Kreditwünsche des alten Königs
störten ihn ebenfalls.«
    »Und Brampton -
war er ein guter Diener?«
    »Ja«,
antwortete Lady Isabella rasch, »das war
er.«
    »Was für
ein Mensch war er?«
    Sie zog eine Grimasse.
»Ruhig, sanft, ein treu ergebener Diener.« Ihr Blick
wurde mild. »Ich traf ihn kurz nach dem Streit mit meinem
Mann. Noch nie habe ich ihn in einem solchen Zustand erlebt,
aufgewühlt und unruhig und so erbost, daß er kaum
stillsitzen konnte.«
    »Und Euer Gemahl
— erwähnte er den Streit?«
    »Er sagte, er
wolle die Angelegenheit später untersuchen. Er war eher
überrascht als zornig darüber, daß Brampton zu so
etwas imstande war; er meinte, es sei überhaupt nicht seine
Art.« Sie schwieg für einen Augenblick. »Zum
Bankett stach mein Mann ein Faß von seinem besten Bordeaux
an. Ich schickte einen Becher davon als Friedensangebot zu
Brampton.«
    »Ihr seid
sicher, daß Sir Thomas große Stücke auf Brampton
hielt?«
    »Oh, da bin ich
sicher.« Lady Isabella schüttelte den Kopf und starrte
vor sich auf den Tisch.
    »Wollen wir nun
von einer anderen Sache sprechen? Von dem Bankett gestern
abend?«
    Cranston furzte sanft,
aber das Geräusch füllte die Halle wie eine laute Glocke,
und Lady Isabella wandte sich angewidert ab. Sir Richard sah den
Coroner wütend an, und Athelstan errötete verlegen ob des
höhnischen Gelächters von Buckingham.
    »Warum fand das
Bankett gestern abend statt?«
    »Wegen der
Krönung des jungen Königs«, antwortete Sir Richard.
»Jede Zunft muß ihren Prunkwagen vorbereiten. Wir
erörterten die Pläne der Goldschmiede für ihr
Schaustück.«
    »Und warum war
dann Oberrichter Fortescue anwesend?« »Das wissen wir
nicht«, fiel Allingham ein. »Sir Thomas sagte, der
Oberrichter werde auch da sein. Er machte oft Geschäfte mit
ihm.« Er grinste. »Fortescue schuldete ihm Geld wie
viele andere Richter und Lords der Stadt.«
    »Warum all diese
Fragen?« erkundigte Sir Richard sich. »Der Fall ist
doch sicher klar. Sogar ein Kind kann das begreifen«,
bemerkte er mit einem verächtlichen Seitenblick auf Sir John.
»Mein Bruder wurde ermordet, und der Mörder war
Brampton. Warum müssen wir die Sache noch einmal durchhecheln,
Staub aufwirbeln und Schmerz und Trauer bereiten? Wir sind
vielbeschäftigte Leute, Bruder Athelstan. Euer Freund mag ja
schlafen, aber wir haben Geschäfte zu erledigen. Der Leichnam
meines Bruders liegt kalt dort oben. Das Begräbnis muß
vorbereitet werden, Angelegenheiten sind zu regeln,
Geschäftsfreunde zu
benachrichtigen.«       
    »Merkwürdig«,
Cranston streckte sich und öffnete die Augen. »Ich finde
das sehr merkwürdig.«
    Athelstan schaute auf
den Tisch und grinste vor sich hin. Eines der Dinge, die er nie
begriff, aber immer wieder genoß, war: wie der große,
dicke Coroner es fertigbrachte, zu dösen und gleichzeitig die
Gespräche um sich herum zu verfolgen.
    »Was ist
merkwürdig?« fauchte Lady Isabella; ihr Abscheu gegen
den Coroner war jetzt ganz unverhohlen.
    »Nun, Mylady
...«, Cranston leckte sich die Lippen. »Euer Gemahl hat
einen Majordomus: Brampton. Brampton ist treu und ergeben wie der
gute Verwalter im Evangelium. Warum sollte er die Papiere Eures
Gatten durchwühlen? Was hatte Euer Gatte zu
verbergen?«
    Lady Isabella funkelte
ihn nur wortlos an.
    »Nehmen wir an,
er hat es getan«, fuhr Cranston fort und holte tief

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