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Die Galerie der Nachtigallen

Die Galerie der Nachtigallen

Titel: Die Galerie der Nachtigallen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Harding
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hatten.
    »Bruder«,
flüsterte er dann, »wir haben die Erlaubnis des
Regenten, jetzt in das Haus Springall zu gehen, es zu durchsuchen
und an uns zu nehmen, was uns beliebt. Der Regent sagt, selbst wenn
wir den ganzen Tag dazu brauchen, sollen wir uns im
königlichen Palast oder im Savoy-Palast erst blicken lassen,
wenn wir ihm mehr zu berichten haben.« Athelstan sank das
Herz in die Hose. Einerseits wollte er die Gemälde untersuchen
und das Geheimnis lüften. Andererseits verlangte es ihn
danach, mit Benedicta zusammenzusein. Er schaute in den Himmel.
Unruhige Wolken begannen die Sonne zu verdunkeln. Er schaute
hinüber zu den Frauen. Cranstons Gemahlin hatte
es sich auf der Bank gemütlich gemacht, während der Geck,
der Benedicta beäugt hatte, inzwischen nähergerückt
war und leise mit ihr tuschelte. Er neckte sie, und Benedicta
schien nichts dagegen zu haben. Sie war anscheinend ganz vertieft
in das Geplauder mit dem jungen Kerl. Athelstan hörte kaum auf
das, was Cranston da vor sich hin brummte. Er versuchte, seine
Panik niederzukämpfen, und ermahnte sich, daß er ein
Priester sei, ein ordinierter, gottgeweihter Mann. Hatte er nicht
ein Zölibatsgelübde abgelegt? Zwar durfte er eine Frau
zur Freundin haben, aber es durfte ihn nicht nach ihr gelüsten
oder verlangen, und er durfte sie nicht begehren. Athelstan
stählte sich. Benedicta war höflich zu jedermann, ob es
nun Hobs Witwe war, Ranulf, der Rattenfänger, oder, wie jetzt,
ein Hofgeck. Trotzdem war Athelstan wütend über seine
Lage, und mit Eifersucht sah er, daß Benedicta jemand anderen
so anziehend und unterhaltsam finden konnte, tat aber gleichzeitig
dieses Gefühl als kindisch und gefährlich ab.

Kapitel 9
    Sie verließen
Smithfield und nahmen einen anderen Weg zurück in die Stadt,
vorbei am Abwassergraben, der so durchdringend und faulig stank,
daß sogar Cranston, bis an die Kiemen mit Wein
abgefüllt, stehenblieb, würgte und sich die Nase zuhielt.
Er nahm sich vor, in seine Abhandlung auch ein besonderes Kapitel
über das Säubern der Kloake einzubauen. Eilig
ließen sie die Cock Lane hinter sich; an der
Straßenecke drängten sich Huren in scharlachroten und
blauen Kleidern. Eine von ihnen schwenkte die Hüften,
ließ ihre Brüste tanzen und schrie: »Sir John! Sir
John, kommt doch zu uns!«   
    Cranston drehte sich
um, grinste breit und ignorierte den sich neben ihm vor
Verlegenheit windenden Athelstan. »Meine Mädchen«,
brummte er. »Meine reizenden Mädchen
...«
    Athelstan schob ihn
vor sich her, und an Newgate vorbei ging es in die Shambles und
nach Westchepe. Die Stadt war ziemlich still, stiller als
gewöhnlich; das lag an dem großen Turnier in Smithfield.
Die Behörden nutzten diesen Tag, um gewisse Fälle vor
Gericht zu verhandeln. Eine Reihe von Huren, die bei ihrem zweiten
Gesetzesverstoß ertappt und verurteilt worden waren, wurden
mit geschorenen Köpfen und weißen Stäben in den
Händen zum >Tun< bei Cornhill, dem offenen
Gefängnis, geführt, wo sie stehen und sich von
Vorübergehenden beschimpfen lassen mußten. Das schien
sie aber nicht zu stören; sie tätschelten sich die
Köpfe und johlten, daß ihr Haar bald wieder nachwachsen
werde, was man von den Glatzköpfen der Gerichtsdiener, die sie
eskortierten, wohl nicht behaupten könne. Ein Lügner oder
Meineidiger stand am Pranger; um den Hals einen großen
Schleifstein, und ein Plakat verkündete, daß er
falschzüngig und ein Eidbrecher sei; ein glückloser Junge
neben ihm hatte eine Hammelkeule gestohlen und mußte sie nun
um den Hals tragen; inzwischen war das Fleisch aber in Verwesung
übergegangen und wimmelte von Fliegen. Athelstan betrachtete
das Treiben und versuchte, nicht an Benedicta und die kleinlichen
Eifersüchteleien zu denken, die an ihm nagten.
    Das Springallsche Haus
war leer bis auf ein paar Diener. Die Mäuse schienen heftig
getanzt zu haben, während die Katze aus dem Haus war. Die
meisten waren kräftig angeheitert und reagierten nicht, als
Cranston anklopfte und Einlaß verlangte. Der alte Hausdiener,
der sie schon bei ihrem ersten Besuch hereingelassen hatte, wollte
ihnen helfen, aber Cranston schob ihn sanft beiseite: Es sei
Feiertag, sagte er, und außerdem sei er auf Sir Richards
Wunsch hier, um ungestört seine Nachforschungen anzustellen.
Natürlich erinnerte der Duft des Weines Cranston daran, wie
lange es her war, seit er die letzte Erfrischung genossen hatte,
also bestellte er einen großen Krug und den tiefsten Becher,
der sich

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