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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Füßen.
    Zadok lag still da und betrachtete das Blut, das aus seinem Mund strömte. Er wußte, was die dunkle Farbe zu bedeuten hatte. Zu viele Menschen hatte er schon sterben sehen, um sich jetzt selbst zu täuschen. Schwach zupfte er am schwarzen Ärmel seines Beschützers.
    »Jeremiel … im ersten Moment war ich nicht sicher, ob du es wirklich warst.«
    »Spar deine Kräfte, Abba«, sagte der Mann, zog seine Impulspistole heraus und schwenkte sie herum. »Ich bringe dich hier irgendwie raus.«
    »Rathanial?« keuchte Zadok und hustete wegen des Blutes, das in seiner Kehle gerann.
    »Ja?«
    »Er … er hat nach dir geschickt. Er ist …«
    »Der Wüstenvater von Horeb?«
    Zadok nickte zitternd.
    »Ich weiß nicht, wie er aussieht, aber …«
    Zadok erlitt einen weiteren Hustenanfall, und Jeremiel drehte ihn sanft auf die Seite, damit das Blut leichter abfließen konnte.
    »Hör zu«, keuchte Zadok verzweifelt. »Der Schleier … du mußt die alten Texte kennen … um durch die Himmel zu gelangen.«
    »Schnell!« ließ sich Rathanials aufgeregte Stimme vernehmen.
    Wie durch einen grauen Nebel sah Zadok, wie er einen Mann zur Seite schob und an Jeremiels Seite eilen. Ein paar Schritte entfernt lag der kleine Mann mit dem schütteren Haar. Er war tot, seine Kehle aufgeschlitzt.
    »Wir müssen verschwinden. Sofort!«
    Jeremiel hob Zadok mit seinen kräftigen Armen auf und lief hinter Rathanial her. Die Menschen machten ihnen weiträumig den Weg frei und starrten dabei voller Grauen auf die Blutspur, die sie auf dem Boden hinterließen.
    »Jeremiel …«, keuchte Zadok. »Das Mea Shearim … gib es … gib es meinem Enkelsohn. Und … und sag Mikael, er soll …«
    »Mach ich, Abba.«
    Mit letzter Kraft hob Zadok die Hand, ergriff das geheiligte Objekt, drückte es gegen seine Stirn und konzentrierte sich. »Baruch … atta Epagael.«
    »Sag das nochmal, Abba. Ich konnte dich nicht richtig verstehen.«
    Zadoks Blick verschwamm, und er hörte eine tiefe, beruhigende Stimme, die immer und immer wieder seinen Namen rief. Dann spürte er Jeremiels Arme nicht mehr, die ihn trugen, und die Schreie in der Halle verklangen ebenso wie Rathanials hektische Anweisungen, mit denen er den Weg zu den Höhlen beschrieb.
    Zadok spürte, wie er fortgezogen wurde. Ohne jede eigene Anstrengung flog er durch einen gewaltigen Ozean der Leere, und nicht einmal das Licht der Sterne begleitete ihn auf seiner Reise.
     
    Der Mond hing wie eine silberne Münze über dem Platz, warf sein gespenstisches Licht auf die verrenkten Körper und beleuchtete das Tor und die dahinterliegende leere Straße. Felsblöcke, die hier und da vor den Häusern des Händlerviertels der Stadt aufragten, sahen wie große, zusammengekauerte Bestien aus, deren Schatten sich in unheimlichen Mustern über den Platz ausstreckten. Der Wind strich wispernd zwischen den Geschäften hindurch und trug den Duft von frischem Brot und süßen Gewürzen heran. In einigen Häusern brannte Licht.
    Rachels Seele erschauerte. Horeb erwachte und blickte sie an.
    »Warten sie dort draußen, um auch den Rest von uns umzubringen?« jammerte eine Frau irgendwo in der Nähe des Tores. »Lieber Gott, was sollen wir tun?«
    »Wir können nicht hier bleiben«, erwiderte ein unbekannter Mann. »Uns bleibt keine Wahl.«
    Die Überlebenden drängten sich vor dem Tor zusammen, schwarze Schatten in der hellen Nacht, deren müde Gesten monströse Schatten über die rot und grau gemusterte Rückwand warfen.
    »Wir müssen jetzt schneller gehen, Baby. Kannst du noch durchhalten?« fragte Rachel das Kind, das sich auf ihrem Rücken festklammerte.
    »Ich bin schrecklich müde.«
    »Nur noch ein kleines Stück, dann können wir ausruhen, in Ordnung?«
    Sybil ließ den Kopf auf eine Art und Weise nach vorn fallen, die Rachel als Nicken deutete, und klammerte sich stärker an die Mutter. Rachel mobilisierte die letzten Kraftreserven ihres dehydrierten Körpers, um festen Halt für ihre Hände und Knie zu finden. Viele der Leichen waren inzwischen steif geworden und erleichterten ihr das Vorankommen. Als sie beim Tor anlangten, stellte Rachel fest, daß die Zahl der Überlebenden weitaus größer war, als sie für möglich gehalten hätte. Es mußten an die zweihundert sein. Die Verletzten, die Alten und die Kinder drückten sich dicht an die Mauer, während die jüngeren Leute sich ein paar Schritte vom Tor entfernt sammelten. Entlang der Mauern erstreckte sich ein schmaler Streifen freien Bodens.

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