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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Kragen, zog sie über den Kopf und trat aus der Höhle heraus. Schon bald würde er wieder unterwegs sein. Doch zuerst wollte er durch den Nebel wandern, bis die Feuchtigkeit ihn bis auf die Knochen durchtränkt hätte. Vielleicht wäre er dann, wenn sein Fleisch sich genauso kalt anfühlte wie seine Seele, auch wieder in der Lage, geradlinig zu denken. Wenn er auf Horeb ankam, mußte er wieder im Vollbesitz seiner Fähigkeiten sein.
    Er wanderte am Fuß der hohen Klippen entlang und sog den Geruch der nassen Bäume und Steine ein.

 
KAPITEL

11
     
     
    Die Berge rings um Capitol schimmerten im Sternenlicht. Der Regen hatte aufgehört und dunkle Wolken zurückgelassen, die sich jetzt um die Gipfel drängten. Kiefern bohrten sich wie schwarze Speere in den Himmel. Der Nebel umlagerte ihre Stämme und waberte in der aufkommenden Brise.
    Jeremiel kauerte auf einem vorgelagerten Hügel und blickte über die Stadt. Hochaufragende dreieckige Gebäude ballten sich im Zentrum Capitols zusammen. Ihre reflektierenden Fensterscheiben glühten geisterhaft im düsteren Licht. Vom Nebel abgesehen waren die Straßen leer, doch das Haupttor des Landefeldes stand weit offen.
    Er schüttelte den Kopf und schnaubte verächtlich. Was erwarteten sie? Daß er den Köder annahm und ihnen genau in die Arme lief? »Ihr glaubt doch nicht, daß ich ein solcher Narr bin?« flüsterte er in den naßkalten Wind. »Vielleicht aber doch. Ihr tapferen Burschen in Purpur seid ja nicht dafür bekannt, besonders helle zu sein.«
    Frostiger Wind preßte ihm den Anzug gegen die Rippen, als er losmarschierte, um die Ecke des Raumhafens zu begutachten. Der zwölf Fuß hohe Zaun und ein einzelnes graues Gebäude waren sichtbar. Sechs Schiffe standen auf dem Landefeld, doch nur eines davon befand sich so nah am Zaun, daß er es möglicherweise erreichen konnte. Und soweit er es beurteilen konnte, würde er eine Straße hinunter und einer andere wieder hinaufgehen müssen, um die für seinen Sprung nötige Höhe zu erreichen.
    Wo mochten sie warten? Auf dem Platz? In den Gebäuden? Oder irgendwo in den Hügeln rings um das Feld?
    Unbehaglich betrachtete er die baumbestandenen Hügel, zog dann die Impulspistole und stellte sie auf breite Streuung, bevor er sie wieder in die Tasche an seiner Hüfte steckte. Lautlos schritt er zur Tenth Avenue hinunter. Ringsum duckten sich niedrige Apartmenthäuser aus Ziegelstein. Durch die schmalen Fenster fielen unregelmäßige Lichtstreifen auf seinen Weg. Irgendwo wurden Musik und Gelächter laut und verklangen wieder auf den kalten, leeren Straßen.
    Diese Töne erwärmten ihn innerlich. Als er vierzehn wurde, war sein Vater gestorben, und seitdem hatte er keine Familie mehr gehabt, doch er sehnte sich nach einer solchen Gemeinschaft. Einsamkeit war der höchste Preis, den man als Kommandeur zu zahlen hatte. Soldaten fürchteten sich davor, durch engen Kontakt zu ihren Generälen deren Schwächen zu entdecken. Verlassen konnte man sich nur auf einen unbezwingbaren General. Schwachen Menschen hingegen durfte man nicht trauen.
    Er ballte die Hände zu Fäusten und stemmte sich gegen die eigene Unfähigkeit. Svene hatte verstanden. Drei Jahre lang war sie sein Schild gewesen, eine leuchtende Klinge, die zwischen ihm und der Welt aufblitzte. Sie hatte ihn vor Besuchern abgeschirmt und nur dann jemanden zu ihm durchgelassen, wenn er sich selbst unter Kontrolle hatte. Niemand außer ihr wußte von den Augenblicken, wenn er um Soldaten weinte, die eines erbärmlich ausgeführten Schlachtplans wegen sterben mußten. Niemand außer Syene kannte den Ursprung der Selbstzweifel, die seine Seele marterten. Schmerzvolle Erinnerungen an ihr helles Kleinmädchen-Lachen suchten ihn heim. Der Klang stand so deutlich in seinem Bewußtsein, daß er glaubte, er hätte sie wirklich gehört. Er zuckte zusammen, wollte sich schon umdrehen, während die Hoffnung seine Brust zu sprengen drohte, und hielt sich dann mit aller Macht zurück. Tot. Sie war tot.
    Er lehnte sich mit der Schulter gegen eine Hauswand und starrte blicklos in den Nebel. Sein Herz hämmerte schmerzhaft. Der Nebel bewegte sich, bildete seltsame Umrisse, fast schon Gesichter, die sofort wieder vergingen. Er leckte sich über die Lippen und schüttelte die schweißgetränkten Haarspitzen aus dem Gesicht.
    Er hatte gerade erst zwei Schritte gemacht, da ließ ihn das kratzende Geräusch von Plastik auf Stoff innehalten.
    »Ganz ruhig, Mister«, sagte eine leise Stimme hinter

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