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Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Es hatte eine Zeit in seinem Leben gegeben, da hätte eine derartige Frage ihn wütend gemacht. Damals hatte er geglaubt, sie müßten bis zum letzten Atemzug kämpfen, um die alte Lebensweise zu erhalten, doch jetzt …? Und insbesondere auf Horeb, wo auf beiden Seiten Gamanten sterben würden? Die »Kultur« spreizte ihre Klauen wie ein amorphes, blutrünstiges Monster. Eine im Käfig gehaltene Bestie, die immer mehr und mehr von ihren Wärtern forderte. Und gerade jetzt kam es ihm so vor, als würden die Krallen der Bestie sich fest um seine Kehle schließen. Er wollte ihr entkommen und fortlaufen.
    Irgendwo in den Tiefen seines Bewußtseins hörte er seinen Vater rufen und sah wieder den Schnee aufstieben, den der Mann von seinen Stiefeln abstreifte, bevor er ihr Haus in Tikkun betrat. Der dreizehnjährige Jeremiel rannte barfuß durch den Flur, um seinen Vater zu umarmen. »Wie ist es gelaufen?« Es war ein heikles Treffen gewesen.
    Menachem Baruch tätschelte ihn sanft, nahm dann den blauweißen Gebetsschal von seinen Schultern, faltete ihn und küßte den Stoff. »Nicht gut, mein Sohn«, sagte er leise.
    »Wieso? Was ist passiert?«
    »Wir … wir haben keine Kraft mehr. Kein Geld. Keine Hoffnung. Jeder macht sich Sorgen wegen der Zukunft.« Langsam ging er zum Wandschrank hinüber, um den Schal in die dafür bestimmte Schachtel zu legen. Als er sich umdrehte, flüsterte er: »Die alte Ruth ist krank. Wir waren nicht genug, um eine Entscheidung zu treffen.«
    »Papa! Ihr konntet kein Minyan bilden? Nicht einmal zehn sind gekommen? Nicht einmal zehn?«
    Sein Vater schien damit beschäftigt, den fadenscheinigen schwarzen Anzug zu glätten, und sein gesenkter Blick verbarg die tränenerfüllten Augen. »In den alten Zeiten lebten so viele Gamanten auf Tikkun, daß man sie nicht zählen konnte.« Er hob eine kräftige Hand, die Hand eines Zimmermanns, und fuhr damit durch die Luft. »Wenn man durch die Straßen ging, klopften einem die Menschen freundlich auf die Schulter. Und am Shabbat ruhte der ganze Planet. Nicht einmal der Wind strich draußen um die Häuser. Straßauf, straßab leuchteten die Kerzen. Heilige Gesänge erhoben sich wie die segnende Hand Gottes, wanden sich zwischen den Häusern hindurch und drangen durch jedes Fenster.« Er blickte düster zu Boden. »Nicht einmal zehn. Ich … ich glaube, es dauert nicht mehr lange, bis es keinen Sinn mehr hat, überhaupt noch hinzugehen.«
    »Keinen Sinn? Papa, so etwas darfst du nicht sagen! Niemals!«
    »Jeremiel? Jere …«
    »Ich höre ja, Rathanial.« Er rieb sich die Nase und verdrängte die Erinnerung. Dann lehnte er sich erneut gegen den Felsen und erwiderte offen den Blick des alten Mannes. »Ich hoffe, gegen Ende der Woche dort zu sein. Ist das schnell genug?«
    Rathanial beäugte ihn unbehaglich. »Schneller, als ich von irgend jemand erwartet hätte. Von jemand menschlichem jedenfalls. Doch deine übermenschlichen Taten sind ja legendär.«
    Jeremiel spürte, daß kein Vertrauen hinter diesem Lob steckte. »Wirst du deinen Leuten mitteilen, daß ich möglicherweise vor dir eintreffe?«
    »Ja, sie werden dich erwarten.«
    »Gut.«
    Rathanial runzelte die Stirn und zögerte unbeholfen. »Äh, Jeremiel, darf ich dich etwas fragen? Ich möchte nicht indiskret sein, aber du planst doch nicht etwas Illegales, um nach Horeb zu gelangen? Ich meine, du wirst doch keinen Diebstahl riskieren?«
    »Kommt drauf an.«
    Der alte Mann blickte gequält auf. »Nun, das ist natürlich deine Sache. Aber wenn du diese ›Methode‹ wählst, dann denk daran, daß die galaktischen Marines überall auf Kayan herumschwirren. Über Capitol haben sie den Ausnahmezustand verhängt. Wir vermuten, daß du ihr Ziel bist. Der Raumhafen wird schwer bewacht.«
    »Ich danke dir für diese Information. Gibt es sonst noch etwas?«
    »Nein. Ich dachte eigentlich, das würde reichen.«
    »Ich wünsche dir eine sichere Reise, Rathanial.«
    Der geistliche Führer verneigte sich. »Möge der Segen Epagaels dich begleiten.«
    »Danke, Vater.«
    Rathanial umarmte Jeremiel kurz, bevor er sich umwandte, um in die Dunkelheit der Kavernen zurückzukehren. Jeremiel lauschte den sich entfernenden Schritten und blickte dann wieder zu den feuchten Wäldern Kayans hinüber. Die Wolkendecke war aufgerissen und hatte ein Schlupfloch für die Sonne geschaffen. Ein goldener Strahl drang herab und schuf blitzende Reflexe auf den Flügeln der kreisenden Vögel.
    Jeremiel holte die Kapuze aus seinem

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