Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan
offensichtlich nicht von Horeb. Was machen Sie hier?«
»Lassen Sie uns eine Frage nach der anderen abhandeln. Meine zuerst, ja?«
Sybil hob den Kopf und blickte Jeremiel feindselig an. »Ich mag ihn nicht, Mommy. Er traut dir nicht.«
»Ist schon in Ordnung, Kleines. Ich traue ihm auch nicht. Schlaf jetzt. Es kann sein, daß wir schon bald wieder weitermüssen.«
Sybil warf Jeremiel einen wenig schmeichelhaften Blick zu und vergrub dann ihr Gesicht in Rachels zerrissenem Gewand. Ihre Ängste quälten Rachel, doch als sie aufschaute, entdeckte sie ein unterdrücktes Lächeln um Jeremiels Mundwinkel, und das löste ihre Anspannung ein wenig. Zumindest schien er menschlich zu sein.
»Sie ist einfühlsam.«
»Sehr.«
»Will der Mashiah sie auch töten? Oder ist er nur …«
»Ja.«
»Und Ihr Mann? Wo ist der?«
»Er…« Rachels Herz wurde plötzlich schwer. Sie versuchte, einen Schluck aus der Flasche zu nehmen, doch ihre Hand zitterte so sehr, daß sie einen Teil der Flüssigkeit über ihre Kleidung verschüttete. Schließlich benutzte sie beide Hände, um die Flasche wieder sicher auf dem Boden abzusetzen. »Tot.«
»Das Werk des Mashiah?«
Sie nickte.
Er runzelte die Stirn und streifte methodisch das Kondenswasser von seiner Flasche ab. Seine Stimme klang sanft und überzeugend, als er sagte: »Das tut mir leid. Ich bete darum, daß Epagael gut für ihn sorgt.«
»Erzählen Sie mir nichts von Gebeten«, stieß sie hervor. »Wenn Gott bereit ist, uns so schrecklich zu strafen, dann kann er auch ohne unsere Gebete auskommen.«
»Sie sind eine Ungläubige?«
»Nur ein Narr würde noch an einen gütigen Gott glauben – nach allem, was er uns angetan hat.«
»Vielleicht, aber ich habe etwas für Narren übrig. Als loyales Mitglied ihrer Gilde glaube ich nicht, daß wir ohne Narren überlebt hätten.«
»Die Dummen werden noch unser aller Untergang sein.«
»Eher unsere Rettung. Sie und ihr sturer Sinn für Gerechtigkeit, der sie bis zum letzten Atemzug zur Verteidigung Gottes und ihres Volkes kämpfen läßt.«
Rachel warf ihm einen vernichtenden Blick zu. »So, dann sind Sie also auch ein Narr?«
Er hob die buschigen Augenbrauen, und sein roter Bart zitterte leicht, als er die Zähne zusammenbiß. Tiefer Schmerz wurde plötzlich in seinen Augen sichtbar. »Meinen Sie damit, ob ich an einen Gott glaube, der über uns wacht und uns liebt? Nein. Ich glaube, der einzige Schutz, über den Gamanten verfügen, liegt in der Stärke ihrer Waffen, der Kraft ihrer Körper und der Schärfe ihres Verstandes.« Er erwiderte ihren harten Blick. »Aber nur, weil ich meinen Glauben verloren habe, heißt das nicht, daß ich den anderer Menschen verachte. Jeder, der fühlt, daß er Gott ein paar Augenblicke am Tag schuldig ist …«
»Gottes Aufgabe besteht darin, uns zu beschützen. Er selbst hat das in seinem Bündnis mit unseren Vorfahren versprochen. Trotzdem hat er den Vertrag wieder und wieder gebrochen. Wir schulden Gott nichts!« Die Leidenschaft und der Haß, die in ihrer Stimme mitschwangen, überraschten sie selbst ein wenig, doch er schien das ruhig hinzunehmen. Jedenfalls blickte er sie ohne Befremden an.
»Nun, das ist natürlich Ihre eigene Angelegenheit. Kehren wir zum ursprünglichen Thema zurück. Weshalb haßt der Mashiah Sie?«
»Was tun Sie hier auf Horeb?« konterte sie.
»Sind Sie allein? Oder sind Sie hergekommen, um jemanden zu treffen?«
»Wer sind Sie?«
Er rieb sich irritiert den Nasenrücken. »Dient dieses Spielchen einem besonderen Zweck?«
»Ja.«
»Nun, wie es aussieht, steht es unentschieden.«
»Dann beantworten Sie meine Fragen. Das sollte den Spielstand ändern.«
Er überkreuzte die Beine und streifte geistesabwesend ein wenig roten Schmutz von seinem schwarzen Anzug. »Versuchen wir, über ein neutrales Thema zu sprechen. Erzählen Sie mir, was hier vor sich geht?«
»Das wissen Sie nicht? Warum sind Sie dann hier?«
Er schaute sie für einen Moment an, als wollte er tief in ihre Seele blicken. Dann flüsterte er: »Ich bin hier, um eine Einheit aufzustellen und zu führen, die ihren verdammten Mashiah zum Teufel jagt.«
»Warum? Horeb ist eine karge Welt. Wir verfügen über keinerlei Reichtümer. Was kümmert es Sie, was sich hier auf dieser unbedeutenden Welt abspielt?«
»Passen Sie auf, Rachel.« Er beugte sich ärgerlich vor. »Den größten Teil meiner Zeit verbringe ich damit, die Galaxis zu durchstreifen, um das Leben von Gamanten zu retten. Von daher war
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