Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan

Titel: Die Gamant-Chroniken 01 - Das Licht von Kayan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
Vom Netzwerk:
seinem Blick. »Vor oder nach dem Holocaust?«
    »Was meinen Sie mit Holocaust?«
    »Er hat in dieser Woche rund tausend der Alten Gläubigen zusammengetrieben, uns auf den Platz gesperrt und…« Ihre Stimme versagte, als die Erinnerungen sie überfluteten: Das kleine Mädchen, das ihren Bruder hinter sich herzog, der Junge, der die Hand seiner toten Mutter streichelte. »Und dann … dann hat er die Marines rings um den Platz auf den Mauern postiert, und sie fingen an zu schießen und schossen immer weiter, bis sich nichts mehr rührte. Außer … den Nachtvögeln … die nach Futter suchten.«
    Durch tränenumflorte Augen sah sie, daß er still dasaß, während Haß und Kummer über sein Gesicht huschten.
    Er hob die Flasche und leerte sie. Rachel bemerkte, wie fest sein Griff war, wie sich seine Finger weiß verfärbten. »Ich verspreche Ihnen, Rachel, er wird dafür mit seinem Leben bezahlen.«
    »Machen Sie keine Versprechungen, die Sie nicht halten können. Ich habe drei Jahre lang versucht, ihn zu töten, und …«
    »Wir werden meine Fähigkeit, Versprechen zu halten, später diskutieren. Da wir schon lange vor Beginn der Dämmerung unterwegs sein müssen, sollten wir versuchen, jetzt etwas zu schlafen.« Er drehte sich um und griff nach der Lampe.
    »Ja, in Ordnung.« Ohne ein weiteres Wort schob Rachel ihre Tochter in eine neue Position und streckte sich auf dem Boden zwischen Sybil und Jeremiel aus. Das Licht erlosch, und kurz darauf hörte sie, wie Jeremiel sich ebenfalls hinlegte.
    Rachel dachte darüber nach, was er gesagt und was sie preisgegeben hatte. Je mehr sie nachdachte, desto unsicherer und furchtsamer wurde sie. Warum hatte sie ihm all diese Dinge erzählt? Sie wußte ja nicht einmal, ob er tatsächlich Baruch war! Es war schon gefährlich, überhaupt jemandem zu vertrauen, aber einem Fremden? Panik drohte sie zu übermannen. Sie versuchte sich selbst davon zu überzeugen, daß er wirklich gekommen war, um sie zu retten – aber sie schaffte es nicht. Gerüchte erzählten von einer großen Schlacht, die Baruch im Akiba System gegen die Magistraten führte – und das war Monate entfernt. Die Furcht bäumte sich wie ein wilder Hengst in ihrer Seele auf und trampelte all ihre Hoffnungen in den Staub.
    Lieber Gott, was habe ich getan?
    Sie preßte das Gesicht gegen ihren Ärmel, um das Schluchzen zu unterdrücken, das in ihrer Kehle lauerte. Tu etwas! schrie sie sich selbst an, doch sie war zu müde, um sich auch nur zu bewegen. Sie wartete, bis sein Atem ruhiger und tiefer geworden war. Dann rutschte sie lautlos wie Flußnebel zu ihm hinüber, so nah, daß sie die Wärme spürte, die von seinem Körper aufstieg, und seinen männlichen Geruch wahrnahm. Sie fand Trost darin, doch ihr erschöpfter Verstand verweigerte ihr dieses Gefühl. Wenn sie jetzt an Shadrach dachte, würden sich die Schleusentore ihres Kummers weit öffnen. Sie streckte die Hand aus und tastete den Boden neben ihm nach seiner Pistole ab, doch sie fühlte nur Sand und Kies. Ob er schlief, während sie an seinem Gürtel befestigt war? Schließlich nahm sie ihren ganzen Mut zusammen, rückte noch näher und berührte seine Hüfte.
    Ein stählerner Griff umklammerte ihr Handgelenk. »Ich hoffe, das war ein Annäherungsversuch, Rachel«, flüsterte er. »Andernfalls könnte ich mich versucht fühlen, Sie zu erschießen.«
    Sie wollte ihren Arm zurückziehen, doch seine Finger bohrten sich unerbittlich in ihr Fleisch.
    »Sie tun mir weh!«
    »Das hoffe ich. Finden Sie nicht auch, daß es von schlechten Manieren zeugt, jemanden zu bestehlen, der einem das Leben gerettet hat? Mir kommt das ein wenig undankbar vor.«
    »Lassen Sie mich los!«
    Er setzte sich aufrecht hin. »Rachel, ich habe seit Wochen keinen richtigen Schlaf mehr gefunden. Heute brauche ich wirklich Ruhe, denn ich habe den Verdacht, daß morgen ein sehr langer Tag auf uns wartet. Aber wie es aussieht, bekomme ich nur Ruhe, wenn wir ein wenig näher rücken.«
    »Wovon reden Sie?«
    »Ich rede von einem Kompromiß.« Er legte einen muskulösen Arm um sie und zog sie mit sich auf den Boden. Für ein paar Sekunden kämpfte sie vergeblich dagegen an, während Angst und Empörung in ihr tobten. »Lassen Sie mich los, Sie…«
    »Hören Sie genau zu«, murmelte er. Sie spürte, wie er sich vorbeugte, und hörte ein leises Klappern, als die Pistole den Boden hinter ihm berührte. »Keiner von uns kann die Waffe jetzt erreichen, ohne den anderen durch seine Bewegung zu

Weitere Kostenlose Bücher