Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
Meursault …«
Seine Stimme stockte, als das Licht schwächer wurde. »Verdammt, haben wir einen Energieabfall? Verbinden Sie mich mit Ingenieur Horner, bevor ich …«
Delaney schrie auf und deutete mit dem ausgestreckten Arm auf die Rückwand. Ein großer schwarzer Schatten huschte über die Brücke. Auf den Gesichtern der Mannschaft spiegelte sich Panik wieder. Alle sprangen aus ihren Sitzen auf.
Gorgon stolperte rückwärts. »Was ist das?«
»Lichtsprung beendet, Sir!« rief Meursault. »Feindschiffe auf dem Schirm!«
Aktariel schaute schweigend zu.
Martin Qaf fuhr herum, als die Kreuzer wie leuchtende Streifen aus der Schwärze des Alls auftauchten. Die zwölf Männer und Frauen auf der Brücke wurden bleich. Qaf riß die Augen schreckerfüllt auf. »O mein Gott … Nunes! Bringen Sie uns hier raus. Weslan, die Schilde hoch! Wir müssen …«
Aktariel schloß die Augen, als Gorgons erster Schuß aus der Dunkelheit heranraste. Die Brücke der Khezr wurde augenblicklich zerstört, als die Schiffshülle aufriß. Leichen wurden mitsamt der Schiffsatmosphäre in die Schwärze über Abulafia hinausgeschleudert.
Aktariel umklammerte den blauen Samt über seiner Brust und ließ sich zu Deck sechzehn hinabtreiben. Schweigend schritt er durch die Gänge, sein Umhang wehte hinter ihm her. Menschen in schwarzen Kampfanzügen eilten an ihm vorbei. Manche schluchzten.
»O Gott, o Gott«, jammerte eine Frau mit blondem Haar. Sie kniete neben Aktariel auf dem Flur und entfernte eine Abdeckung an der Wand. Dann gab sie hektisch eine Reihe von Befehlen in den Computerterminal ein, der sich hinter der Abdeckung befand. »Bitte, Epagael, nur noch ein einziges Mal. Hol uns hier heraus, und ich tue alles, was du willst. Oh, Jeremiel, ich wollte, du wärst jetzt hier. Du würdest uns hier herausschaffen. Ich weiß …«
Ein schrilles Pfeifen erklang. Aktariel legte schützend die Hände über die Ohren.
»Nein!« schrie die Frau. »O Gott, nein!«
Sie klammerte sich an einem Türrahmen fest, als die Atmosphäre sich verflüchtigte. Ihre Lunge wurden zerrissen, die Augen platzten aus ihren Höhlen, und dann rutschte ihr Körper in Richtung der offenen Schleusentür.
Aktariel senkte den Kopf.
Er ließ sich auf Deck vierzehn herabsinken und landete in einer der Mannschaftskabinen, wo die Dekompression nicht ganz so schnell wirksam wurde. Ein junger Mann krümmte sich auf dem Boden. Er war kaum älter als zwanzig und tastete verzweifelt nach dem Druckanzug, der sich gerade außerhalb seiner Reichweite befand. Der Junge rollte zur Seite, und seine Augen weiteten sich.
»Hilfe…«
Aktariel blinzelte überrascht. Der hier stammte vom Haus Ephraim ab. Ein sonderbarer Zufall. Davon gab es höchstens noch eine Handvoll im gesamten Universum, dafür hatte er gesorgt. »Ich kann nicht.«
Der Junge streckte die Hand aus. »Bitte?«
»Es tut mir leid. Das hier muß sein – für uns alle.« Aktariel kniete nieder und strich sanft über die Stirn des Corporals. »Vergib mir. Wenn ich dich retten könnte, würde ich es tun.«
Als der letzte Rest Luft verschwand, rann Blut aus der Nase des Jungen, und sein Blick wurde leer.
Aktariel erhob sich und lauschte auf seinen eigenen Herzschlag. Es wurde schwarz im Schiff. Die Energie war ausgefallen.
Aktariel blickte auf und schaute durch das dünne Metall in die sternengesprenkelte Leere hinaus. Überall um ihn herum flammten Schiffe auf und fielen der Vernichtung anheim. Doch die Schreie Tausender hallten fort und breiteten sich über die Ewigkeit aus. Ein Kreuzer der Untergrundflotte brach aus dem Kampfgetümmel aus, beschleunigte zum Lichtsprung und verschwand.
Aktariel beobachtete geistesabwesend, wie sechs magistratische Kreuzer die Verfolgung aufnahmen. Er weitete seine Sinne aus und suchte nach einem Hinweis auf Verständnis oder gar Mitleid, das den Stoff zwischen dem Schatz des Lichtes und dem Abgrund durchdrang. Doch er fand nichts.
Aktariel neigte den Kopf und vernahm schwach, sehr schwach eine leise Stimme, die ihn rief – die Stimme eines weinenden Jungen.
Die Stimme rief. Und rief abermals.
Langsam zog Aktariel sein Mea unter dem Umhang hervor und streckte eine Hand in die Dunkelheit hinaus, die das Schiff erfüllte.
KAPITEL
22
Jeremiel lehnte an der Wand seiner Kabine und nippte an dem Becher mit Taza. Er betrachtete Rachel mit einer Intensität, die ihr Unbehagen bereitete. Sie beugte sich über den Tisch und spielte ungeduldig mit ihrem eigenen
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