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Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Titel: Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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Sinlayzan und sein Volk zwingen, eine andere Realität wahrzunehmen.«
    »Diejenige, die du für wahr hältst?«
    Aktariel beugte sich vor, nahm die Schale und führte sie langsam an die Lippen. Er nippte daran und sagte dann: »Erzähl mir, welche Lehre du aus Sinlayzans Leid gezogen hast, Rachel.«
    »Ich habe gelernt, daß du ein Greuel bist, das man fürchten muß.«
    »Sinlayzans Volk hat etwas anderes daraus gelernt. Sieben Tage lang zogen sie an seinem Leichnam vorbei, bis der Schrecken zu groß für sie wurde – und dann fingen sie an, Fragen zu stellen, an die sie niemals zuvor gedacht hatten. Sie fragten, wie ein Gott so schrecklich sein konnte, daß er den Tod seines größten Propheten zuließ, weil der ein paar seiner belanglosen Gesetze gebrochen hatte. Sie fragten, wo Gott an dem Tag war, als Sinlayzan starb. Hatte er zugeschaut? Warum hatte er ihn nicht gerettet? Weshalb schenkte ein gerechter Gott einem wahrlich heiligen Mann keine Vergebung für seine läßlichen Sünden?«
    Rachels Atem ging plötzlich schwer. Aus Aktariels Stimme klang das Feuer der Rechtschaffenheit. Das Papier, das zusammengefaltet in Rachels Brusttasche steckte, schien sie anzuschreien. Sie hatte all die Gleichungen niedergeschrieben, von denen er gesagt hatte, sie könnte sie nicht behalten – sie hatte sie niedergeschrieben, um vielleicht ihre Bedeutung herauszufinden. Enthielten sie den Schlüssel zu einem Plan wie dem, den er bei Sinlayzan angewandt hatte?
    Rachel hob ihre Schale und trank den Wein, während sie auf den See hinausblickte. Vögel kreisten dort, und ihre ausgebreiteten Schwingen blitzten im Sonnenlicht. »Als ich durch das Mea ging, sagte Epagael mir, du wolltest mich glauben machen, alle Existenz bestehe nur aus Leid. Er fragte mich, ob ich nie einen Sonnenaufgang gesehen oder die Wildblumen gezählt hätte, die im Frühjahr in der Wüste blühen.«
    Aktariels Kiefernmuskeln spannten sich. »Hast du ihm gesagt, daß die Schönheit einer Wildblume verblaßt, wenn dein Herz gebrochen ist, wenn dein Kind vor Hunger schreit, wenn du zusehen mußt, wie dein Volk zu Tausenden stirbt und es nichts gibt, was du dagegen tun kannst? Hast du ihm gesagt, daß die Verzweiflung jeden Sonnenaufgang hinter Wolken verschwinden läßt?«
    »Nein, ich … ich habe ihn nur gefragt, ob alles noch schlimmer werden würde.«
    »Gute Frage. Was hat er gesagt?«
    »Er meinte, das Chaos würde mit der Zeit immer verworrener – was ich als ein ›Ja‹ betrachtete.«
    »Das war richtig so. Obwohl es nicht ganz der Wahrheit entspricht. Das Chaos wird noch ein paar Milliarden Jahre zunehmen und dann langsam wieder abnehmen, während das Universum in sich zusammenstürzt.«
    Rachel blickte nachdenklich zum Seeufer hinüber, wo kleine Wellen den Strand überspülten. »Adom hat mir etwas darüber erzählt. Ich hatte ihn gefragt, ob nicht die Entropie das Problem des Bösen lösen würde, und er meinte nein. Gott würde einfach alles wieder von vorn beginnen lassen.«
    »Er hat gut gelernt.«
    »Er hat dich geliebt.«
    Aktariel hielt den Blick in stiller Verzweiflung gesenkt. »Ich weiß.«
    »Gott hat noch etwas gesagt, das ich sonderbar fand. Er fragte mich, ob du mir schon meine dreißig Silberlinge gezahlt hättest. Und er meinte, du hättest Adom und mich verführt …«
    »Tatsächlich?« Aktariel leerte ärgerlich seine Weinschale. »Hast du zufälligerweise erwähnt, daß du mir damals noch gar nicht begegnet warst?«
    »Nein, dazu blieb mir keine Zeit. Er hat mich ziemlich abrupt nach Horeb zurückgeschleudert.«
    Rachel spielte mit ihrem Trinkgefäß, während ihre verwirrten Gedanken hin und her sprangen. Aktariels Gesicht verdüsterte sich, als er sie ansah. Langsam streckte er seine Hand aus und ergriff eine Strähne ihres Haars, die vom Wind zerzaust worden war. Er strich sie glatt und drückte sie dann an seine Wange. Die zärtliche Geste hinterließ bei Rachel ein sonderbar leeres Gefühl.
    »Auf dem Schiff hast du gesagt, es bestände eine alte Verbindung zwischen uns«, murmelte sie. »Was hast du damit gemeint?«
    Aktariel streichelte ihr Haar noch einen Moment und überließ es dann wieder dem Wind. »Was ich gemeint habe, ist schwer zu erklären. Vielleicht ist es vernünftiger, wenn wir dieses Thema ruhen lassen, bis wir uns besser kennengelernt …«
    »Jetzt, Aktariel! Ich bin keine einfältige Närrin, die du einfach nach deinen Wünschen lenken kannst! Sag es mir!«
    Aktariel sah sie ruhig an. »In Ordnung. Du

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