Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
nur etwas anders, und ihr Leben nimmt einen anderen Verlauf.«
»Aber jetzt, wo du hier bist – beeinflußt deine Anwesenheit sie nicht?«
»Nicht, solange ich mich nicht einmische. Und ich garantiere dir, das werde ich nicht tun. Mir gefällt dieses Universum genau so, wie es ist – furchtbar langweilig.«
Rachel betrachtete stirnrunzelnd ihr Trinkgefäß. »Aktariel …«
Er schaute hoch. »Ich bin bereit.«
»Beginnen wir mit deinem Ruf als Betrüger.«
Aktariel nickte. »Nun, das ist eine lange Geschichte. Jedenfalls bin ich noch nie besonders zurückhaltend gewesen. Ist dir das aufgefallen?«
Rachel schaute ihn nur an.
Aktariel stülpte die Lippen vor. »Unglücklicherweise wirst du das auch in Zukunft immer wieder bemerken, ganz gleich, wie sehr ich mich bemühe, mein Verhalten zu ändern. Es gehört einfach zu meinem Wesen. Nun, wie auch immer, man sollte Betrüger durch Versucher ersetzen. Mein Fehler besteht darin, daß ich immer versucht habe, den Menschen die Wahrheit über Gott zu zeigen. Und ich fürchte, ich bin dabei nicht gerade zartfühlend vorgegangen. Epagael hat dann stets zurückgeschlagen, indem er diese Menschen ausfindig machte, sie durch Boten vor seinen Thron zerren ließ und ihnen vorführte, wie liebevoll er sein konnte. Natürlich glaubten sie dann, ich hätte sie angelogen.« Er öffnete eine Hand. »Und daher heißt es: der Betrüger.«
»Das klingt alles sehr überzeugend und schlüssig. Sprechen wir über Sinlayzan.«
Aktariel schien für einen Moment den Atem anzuhalten. Dann lehnte er sich zurück und sagte: »In Ordnung.«
»Die Geschichten erzählen, du hättest ihn dazu gebracht, dich für einen Boten Epagaels zu halten, ihn in die Wüste geführt und ihn dort vierzig Tage und vierzig Nächte lang gequält, indem du ihm jede nur mögliche Sünde vorgeworfen hast. Er hat gegen dich angekämpft und seine Unschuld beteuert, doch du hast dich nicht erweichen lassen. Du hast ihn gequält, bis er sich zu Boden warf und jedes noch so winzige Vergehen bekannte, das er sich hatte zuschulden kommen lassen. Die Geschichten erzählen, Sinlayzan hätte geweint, sich die Haare gerauft und dich um Vergebung angefleht.« Rachel warf Aktariel einen harten Blick zu. Sein Gesicht war grau geworden, und die Linien um seine Augen zeichneten sich scharf ab.
»Ja«, sagte er mit unheilverkündender Ruhe, »das hat er getan – mich um Vergebung angefleht.«
Rachel betrachtete ihn düster. »Und danach? Du hast Sinlayzan zur Stadt Gulgalto gebracht und Anklage gegen ihn erhoben, wobei du ihn eines jeden Vergehens gegenüber Gott beschuldigt hast, das er je begangen hatte.« Rachel trank einen Schluck Wein und verspürte den gleichen Haß in sich, den sie empfunden hatte, als sie noch ein Kind war und diese Geschichte zum ersten Mal hörte. Sie hatte ihren Vater oft gefragt, weshalb Gott Aktariel nicht einfach tötete, damit er den Menschen keine Schmerzen mehr zufügen konnte, doch ihr Vater hatte nie eine Antwort gefunden. »Nachdem sie Sinlayzan verurteilt hatten, blendeten sie ihn, fesselten ihn an eine lange Stange und bewegten ihn langsam über einem tosenden Feuer auf und ab. Zeugen behaupteten, man hätte seine Schreie zwei Tage lang gehört, bevor er endlich starb.«
Aktariel senkte den Kopf und klammerte seine Hände auf dem Schoß aneinander. Sein verzerrtes Gesicht erinnerte Rachel an einen längst verstorbenen Zaddik, dessen Herz von Zweifeln zerfressen worden war.
»Hast du Sinlayzan das angetan?«
Aktariel schloß die Augen angesichts der Frage. »Nicht … nicht ganz genau so. Aber … ja.«
»Du hast ihn betrogen. Wie konntest du das nur tun? Er war ein guter Mensch, ein großer Mann! Ein Prophet!«
»Ja. Ja, das war er.«
Gnadenlos drängte Rachel weiter. »Ich will deine Verteidigung hören.«
Aktariel blickte sie mit leeren Augen an, und es kam ihr so vor, als würde er durch sie hindurch in eine ferne, schreckliche Vergangenheit sehen. »Elahi, Elahi, metul mah shebaktani… Das war der Grund, Rachel. Weil Gott ihn verlassen hatte.«
»Was soll das heißen? Was willst du …«
»Verstehst du denn nicht? Sinlayzan lebte in einer friedlichen Gesellschaft, die völlig auf reinem Rationalismus beruhte. Niemand mußte je hungern oder frieren. Sein Volk mußte sich nie den Schrecknissen stellen, unter denen der Rest des Universums litt. Gott hatte ihnen diesen Frieden aus einem einzigen Grund geschenkt.«
»Du meinst, um dich zu besiegen?«
»Ja. Ich mußte
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