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Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun

Titel: Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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aus der Taverne herauskamen und sich an einem Tisch in ihrer Nähe niederließen. Ihr Gelächter schien von den Weinreben widerzuhallen. Die zwischen fünfzehn und fünfzig Jahre alten Männer trugen grobe, selbstgewebte Kleidung und rochen nach Salz und Fisch. Einer von ihnen, ein großgewachsener Mann mit langem, dunkelbraunem Haar und einem Bart, lächelte Rachel an. Rachel erwiderte das Lächeln, doch ihr Herz klopfte schwer. Der Mann hatte gehetzte, von Schmerz heimgesuchte Augen.
    Aktariel stand plötzlich auf, packte Rachels Hand und zog sie auf die Füße. »Wir müssen gehen«, sagte er leise. »Rasch.«
    Rachel stolperte um den Tisch herum und versuchte zu gehorchen, doch der Saum ihres – seines – Umhangs verfing sich in einem Splitter, der aus dem Tischbein hervorragte.
    »Warte. Warte!« rief sie und bückte sich, um den Stoff zu lösen, doch der große Fremde war schon aufgesprungen, noch bevor ihre Finger den Saum berührten.
    »Lassen Sie mich Ihnen helfen«, sagte er. Mit flinken Fingern löste er den Stoff, blieb dann direkt vor ihr stehen und schaute sie an.
    Rachel betrachtete ihn neugierig. Wieso hatte sie seine Sprache verstanden? Er besaß zwar einen starken Akzent, doch die Worte waren gut zu verstehen gewesen. Aktariels Griff um ihre Hand wurde fester, und Rachel wandte sich halb um und sah ihn an, doch sein Blick war über ihre Schulter auf den Fremden gerichtet, und in seinen Augen stand Angst.
    »Verzeihen Sie«, sagte der Fremde höflich zu Aktariel. »Kenne ich Sie nicht?«
    »Nein«, erwiderte Aktariel kühl.
    Der Unbekannte machte einen Schritt vorwärts. Seine Augen waren weit aufgerissen. Offensichtlich wurde er von Aktariel angezogen wie eine Motte vom Licht – wie es schien, sogar mit größerer Kraft als Rachel selbst. »Aber es kommt mir so vor, als würde ich Sie kennen.« Er hob eine Hand und umklammerte den Stoff seines Gewandes auf der Brust. »Tief hier drinnen. In meinem Herzen, Freund. Sind Sie sicher, daß wir nicht …«
    »Ich kenne Sie nicht!« sagte Aktariel scharf. Dann, als ob er einen Schmerz spüre, schloß er die Augen. Sein Griff um Rachels Hand spannte sich.
    »Es tut mir leid«, wandte Rachel sich an den Fremden, »aber wir sind in Eile. Verzeihen Sie uns unsere Unhöflichkeit.«
    Der Mann nickte und lächelte leicht – und plötzlich merkte Rachel, daß ihr Blick unwiderstehlich von ihm angezogen wurde. Alles an ihm wirkte auf sie wie ein starker Whiskey auf nüchternen Magen. Der muskulöse Körper, die schlichte Würde seines Gesichts, der Schmerz in seinen dunklen Augen.
    Im Hintergrund schlug einer der Freunde des Fremden, ein grauhaariger Mann mit ausladendem Kinn, mit der Faust auf den Tisch. »Ben Yosef, wir stecken mitten in einer Diskussion. Komm gefälligst wieder her. Ich war noch nicht fertig damit, dich auseinander zu nehmen. Deine Bemerkungen über die Natur der Sünde …«
    »Sind völlig zutreffend«, erklärte Ben Yosef und drehte sich mit einem herausfordernden Lächeln halb um. »In jedem von uns steckt auch etwas von seinem Mitmenschen. Wenn daher jemand sündigt, schadet er nicht nur sich selbst, sondern auch jenem Teil in ihm, der zu einem anderen gehört.«
    »Ja, natürlich …«, murmelte Aktariel in leisem Schmerz.
    Ben Yosef lächelte ihn neugierig an. »Sie wissen darüber Bescheid?«
    »Lächerlich!« rief sein Freund am Tisch. »Komm her und erklär es uns. Und laß diese Römer in Ruhe.«
    Ben Yosef sah Aktariel abermals an. In seinen Augen dämmerte eine vage Erkenntnis, als wüßte er beinahe, wo sie sich schon einmal begegnet waren – aber noch nicht ganz genau. »Möchten Sie sich nicht zu uns setzen? Darf ich Ihnen einen Krug Wein anbieten? Ich würde mich gern mit Ihnen unterhalten. Wenn wir miteinander reden, erinnern wir uns vielleicht …«
    »Nein, das geht leider nicht«, erklärte Aktariel mit zitternder Stimme. Entschlossen zog er Rachel hinter dem Tisch hervor. »Trotzdem, vielen Dank.«
    Ben Yosef verbeugte sich leicht. »Vielleicht ein andermal.«
    »Ja, vielleicht.«
    Aktariel lief beinahe, während er Rachel über den gewundenen Pfad an Tziporas Haustür vorbeizerrte. Als sie schließlich wieder den Weg erreichten, der zu den Obstgärten führte, widersetzte sich Rachel energisch seinem Ziehen. Keuchend sagte sie: »Warte. Laß mich erst wieder zu Atem kommen.«
    »Verzeih mir«, erwiderte Aktariel und begann, auf dem rötlichen Erdboden auf und ab zu wandern. Rachel bemerkte, daß er stark

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