Die Gamant-Chroniken 02 - Die Rebellen von Tikkun
als ein Leben in ewigem Leid zu führen.«
»Es gibt Dinge, die wir tun können, um das Leiden zu beenden.« Eine flammende Hand strich sanft über das Haar der Frau. »Rachel, Rachel, letzte der Sefira. Wirst du mir helfen? Zusammen können wir das Universum vom Elend erlösen.«
»Aber … was ist das? Eine Sefira? Ich habe darüber in Middoths Tagebuch in den Polaren Kammern gelesen.«
»Es ist ein Schiff. Ein Schiff aus reinem Licht.«
Plötzlich wurde Rachel von würgender Angst gepackt. Warum erschien ihr die freundliche, sanfte Stimme plötzlich so vertraut? »Wer bist du?«
»Jemand, der dich liebt. Seit ungezählten Jahrtausenden habe ich auf dich gewartet.«
»Was meinst du damit?«
Donnerndes Dröhnen durchdrang den goldenen Nebel. Kanonendonner? Der Bürgerkrieg? Rachel erschauerte.
»Es tut mir leid, Rachel, aber du mußt jetzt aufwachen. Jeremiel braucht dich. Wir müssen uns beeilen.«
Jeremiel? Für einen kurzen Moment wurde ihr leicht ums Herz. »Jeremiel? Geht es ihm gut?«
»Für den Augenblick, ja. Aber das wird sich ändern, wenn du jetzt nicht aufwachst.«
»Wieso?«
»Er hat eine Menge Probleme.«
Der Nebel wirbelte auf wie tanzende Flammen. Rachels bleischwere Lider zuckten und öffneten sich. Sie blickte in ein kristallenes Gesicht, in dem sich das Licht wie in einem Kaleidoskop brach. Bernsteinfarbene Augen blickten sanft auf sie herab. Sie ließ sich wieder in die Wärme zurückgleiten.
Der Boden erzitterte.
»Wir müssen uns beeilen, Rachel. Es tut mir leid.«
Der goldene Nebel löste sich auf wie Wolken im heißen Wüstenwind. Rachel schreckte hoch und rief: »Der Krieg! Ornias!«
Sie wollte sich aufrichten und starrte genau in die schimmernden Bernsteinaugen Aktariels. Es war kein Traum …
Aktariel hatte sie an seine Brust gezogen. Der Saum seines blauen Umhangs bewegte sich sanft im Wind, der durch die Eishöhle strich.
»Laß mich in Ruhe!« Rachel riß sich aus seinen Armen los und versuchte, auf Händen und Knien fortzukriechen. Lieber Himmel, dieser leuchtende Alien wirkte erschreckend real. Wie war das möglich? Verliere ich den Verstand?
»Rachel, wir müssen miteinander reden.«
Rachel drückte sich eng gegen die Höhlenwand. Bei jeder Bewegung riß die Eisschicht auf, die sich auf ihrem Schutzanzug gebildet hatte. Die Temperatur lag weit unter dem Nullpunkt, doch ihr Körper fühlte sich dort, wo er sie berührt hatte, immer noch warm an.
»Nein! Ich habe Middoths Tagebuch gelesen, und ich weiß, wie du ihn in die Irre geleitet und getötet hast! Genau wie du Adom auf dem Gewissen hast!«
In einer fließenden Bewegung stützte Aktariel sich mit einer Hand auf dem Boden ab und erhob sich. Rachel hielt unwillkürlich den Atem an. In dem Glanz, der von ihm ausging, schimmerten die eisigen Höhlenwände, als wären sie mit Diamanten besetzt. »Bei Middoth habe ich einen Fehler gemacht.«
»Offenbar machst du bei jedem Fehler! Sie sind alle tot! Jeder, den du jemals benutzt hast …«
»Ja, ich habe Fehler gemacht. Der größte war, Middoth kein Mea zu geben, damit er Gott selbst herausfordern könnte. Deshalb habe ich dir eines gegeben. Begreifst du nicht? Ich habe alles versucht, mit dir nicht die gleichen Fehler zu wiederholen.«
Rachel hob die Hand, um nach der stumpfen grauen Kugel zu greifen, die von einer goldenen Kette um ihren Hals herabhing. Als Adom ihr damals das Mea gegeben hatte, leuchtete es in einem so strahlenden Blau, daß man nicht direkt hineinschauen konnte. »Aber … Adom hat es mir gegeben.«
Aktariel schüttelte den Kopf. »Nein. Ich wollte nur nicht, daß er dir erzählt, von wem er es hatte. Ich hatte Angst, du würdest es dann nicht benutzen. Und ich wollte, daß du die Wahrheit selbst erkennst.«
Ärger und Verwirrung drohten Rachel zu ersticken. »Wie viele Irregeleitete haben dir geglaubt, nur um im Tod erkennen zu müssen, daß du lediglich dein grausames Spiel mit ihnen getrieben hast, so wie eine Katze mit der Maus spielt, bevor sie sie tötet?« Sie warf einen Blick zum Höhlenausgang, wo der Wind den Schnee über die Ebene jagte. »Middoth berichtet, du hättest alle Meas gestohlen. Und daß du …«
»Ja, das stimmt. Das habe ich getan.«
Rachel atmete scharf ein. Aktariels Stimme klang so ruhig und sachlich, als würde er einen kaltblütig begangenen Mord gestehen, an den er sich selbst kaum noch entsinnen konnte. »Wenn dir so sehr daran liegt, daß die Menschen selbst Gott gegenübertreten, warum verteilst du die
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