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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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hat es nicht getan. Und er könnte in diesem Moment alles rückgängig machen und neu erschaffen, auf daß wir kein Leid mehr empfinden, sondern in ewiger Glückseligkeit leben. Doch auch das wird er nicht tun.«
    Rachel entzog ihm ihre Hand. »Du sollst mir nicht predigen, Aktariel. Das ertrage ich nicht.«
    Aktariel zeichnete mit dem Finger Dreiecke in den Sand. »Das war auch nicht meine Absicht. Ich wollte dich nur zum Nachdenken bringen. Die alten Vorstellungen von einer unendlich guten, allmächtigen und allwissenden Gottheit sind schlicht und einfach falsch. Nichts von alledem trifft auf Gott zu. Der ursprüngliche Schöpfungsakt, bei dem er einen Teil von sich abtrennte, schwächte Epagael und verdammte ihn ebenso wie das Bewußtsein, das aus der Leere erwuchs. Unsere Erfahrungen hier werden ihm auf ewig fremd bleiben – bis wir ihn zwingen, zu verstehen.«
    Rachel strich Staub und Erde von ihrem jadefarbenen Gewand. »Ich kann dem nicht widersprechen, Aktariel. Natürlich müssen wir Epagael zwingen, alles zu erkennen und zu verstehen.«
    »Weshalb sind wir dann uneins? Ich begreife nicht, was du tust. Du und ich, wir wissen beide, daß deine Verhinderung von Nathans Tod all unsere sorgfältig ausgearbeiteten Pläne zunichte machen kann. Warum gehst du ein solches Risiko ein?«
    Rachel rückte zur Seite und drehte ihm den Rücken zu.
    Während Aktariel auf ihre Antwort wartete, strich sein Blick über die Hügel. Stimmen, alt und leidenschaftlich, erhoben sich aus dem Erdboden. Jeder Stein sprach zu ihm, schrie mit blutverschmiertem Mund: »Bereuet! Bereuet! Das himmlische Königreich ist nahe!« Kein Sandkorn und kein Grashalm waren dem Blutstrom entgangen, der den Hingemetzelten entströmte.
    Aktariel richtete den Blick auf den nur wenige Schritte entfernten Fels, und wieder hörte er das Stampfen der Hufe, das Wiehern der erschreckten Pferde …
    Ein brennendheißer Nachmittag. Der Hügel voller Kreuze. Menschen stoßen und drängen, als sie versuchen, vor den bronzegerüsteten Reitern zurückzuweichen, die einen Kordon bilden und sie mit ihren Speeren und lauten Schreien vor sich hertreiben, um ihnen einen Anblick aufzuzwingen, den keiner der Gläubigen ertragen kann: Ein Mashiah aus Fleisch und Blut, der um Errettung betete und in Verzweiflung starb. Und als die Dunkelheit hereinbrach, stürmten die Schakale den Hügel und sprangen hoch, um an den Füßen der Opfer zu zerren, bis das rote Licht der aufgehenden Sonne die abgenagten Knochen enthüllte.
    Aktariel rieb sich die Augen. Gott hatte seinem auserwählten Volk an jenem Tag nicht beigestanden. Keine Engel waren mit Flammenschwertern in den Händen vom Himmel herabgestoßen, um den Erlöser zu befreien – obwohl Hunderte darauf gewartet hatten, die Gesichter hoffnungsvoll zum Himmel erhoben. Eine Flut von flehenden, bereuenden Stimmen hatte diesen Hügel von jeder Sünde reingewaschen. Und Epagael hatte die Stimmen gehört. Er war Zeuge des Schreckens geworden, und er hatte den Kopf abgewandt.
    Rachel betrachtete stirnrunzelnd die Ruinen unten im Tal. »Ich gehe das Risiko ein, Aktariel – um dieses Ortes willen.«
    »Was meinst du damit?«
    »Ich bin hergekommen, weil ich dachte … ich dachte, ich könnte die zwölf Wächterengel finden, die über den zwölf heiligen Toren schweben, alle Menschen dieser Erde zu ihren Füßen. Ich dachte, ich könnte die Fußstapfen des wahren Mashiah im Erdboden bei jenem Wachtor dort unten sehen.«
    Aktariel spielte mit einem handtellergroßen Steinbrocken, der neben ihm im Sand lag. Er hob ihn auf und wog ihn prüfend in der Hand. All das Blut, das ihn getränkt hatte, ließ ihn schwer wie Blei erscheinen. »Das neue Yerushalaim wird niemals existieren, Rachel. In keinem der parallelen Universen existiert eine Grundlage dafür.«
    »Wie kannst du dessen so sicher sein? Wenn wir zurückgehen und hier und dort etwas im Gewebe verändern, würde dann nicht …«
    »Nein! Nein, Rachel. Bitte hör mir zu. Du und ich können niemals die Versprechen erfüllen, die Epagael deinen Vorfahren gemacht hat. Das ist nur ihm selbst möglich, und er wird es nicht tun. Diese Stadt ist doch der Beweis dafür.«
    Aktariel legte eine Hand auf Rachels Schulter und drehte sie so weit herum, daß er ihr in die mitternachtsschwarzen Augen blicken konnte. »Du kannst nicht eines der Paralleluniversen so verändern, daß es deinen Träumen entspricht. Verstehst du? Das Gewebe des Teppichs ist zu kompliziert. Weder du noch ich

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