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Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb

Titel: Die Gamant-Chroniken 03 - Die Prophezeiung von Horeb Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathleen M. O'Neal
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jeden Moment herabstürzen und sie zerquetschen.
    Ari Funk tauchte hinter Yosef auf und warf einen neugierigen Blick auf die Karte. »Weshalb halten wir hier?« fragte der große, hagere Mann, dessen graues Haar an einen Wischmopp erinnerte, der zu lange in Gebrauch gewesen war. In Aris faltigem, hohlwangigem Gesicht fiel besonders die mehrfach gebrochene Nase auf – eine Erinnerung an verlorene Schlägereien, die er in der Regel selbst provoziert hatte.
    »Ari, glaubst du …«
    »Pst!« zischte Funk und warf einen besorgten Blick zur Decke.
    Yosefs Mund verzog sich. »Die ist aus Holz – genau wie dein Gehirn. Sie wird uns wohl kaum verstehen können.«
    »Du bist eben schon immer ein Zweifler gewesen«, meinte Ari vorwurfsvoll und schaute argwöhnisch nach oben.
    Yosef bedachte Ari mit einem abschätzigen Blick, bevor er auf die Karte tippte und fragte: »Meinst du, wir sind an der richtigen Stelle?«
    »Ich glaube schon«, erwiderte Ari und deutete auf den Plan. »Erinnerst du dich? An Raum 600 sind wir vor zehn Minuten vorbeigekommen.«
    »Also gut, gehen wir weiter.«
    Sie setzten sich in Bewegung und passierten Raum 613. Yosefs Schritte verlangsamten sich unwillkürlich. Ein sonderbarer Schauer überlief ihn, als er die in altertümlicher Schrift gehaltenen Zahlen betrachtete. Die meisten anderen Türen hatten ihre Nummern infolge von Ornias’ zahlreichen Angriffen schon längst verloren, was ihre Suche nicht gerade vereinfachte. Doch dieser Raum schien wundersamerweise unberührt. Yosef warf einen Blick auf die Karte. Das Quadrat, das diesen Raum darstellte, war dunkel eingefärbt, was bedeutete, daß er einstmals versiegelt worden war.
    »Stimmt was nicht?« fragte Ari und stieß seinen Freund mit dem knochigen Finger an.
    Yosef schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht. Laut Plan wurde dieser Raum versiegelt, gleich nachdem König Edom vor mehr als tausend Jahren die polaren Kammern bezogen hatte. Aber er ist nicht zugemauert worden wie die anderen versiegelten Zimmer.«
    »Dann hat Edom ihn vielleicht aus irgendeinem Grund wieder öffnen lassen. Ist er auf dem Plan als Bibliothek eingetragen?«
    Yosef schüttelte den Kopf. »Nein.«
    »Dann laß uns weitergehen. Die nächste Bücherei befindet sich laut Karte in Zimmer 703.«
    Doch Yosef konnte seinen Blick nicht von der Tür losreißen. Die Lampe, die Ari trug, zitterte so stark, daß er nicht erkennen konnte, ob sich an den Rändern der Tür noch Spuren von Beton befanden. Die Flamme ließ die Schatten der beiden Männer wie betrunkene Seebären über die Wände schwanken. Yosef drehte sich um und zog die grauen Augenbrauen hoch. Wenn Funk so weitermachte, würde er sie noch in Brand setzen, bevor das Dach eine Chance erhielt, sie unter sich zu begraben.
    »Halt das Ding endlich ruhig«, knurrte Yosef. »Ich komme mir allmählich so vor, als würden wir von einer Armee von Geistern verfolgt.«
    Ari warf einen Blick auf die Schatten. »Das liegt daran, daß du senil wirst. Das Sehzentrum in deinem Gehirn stirbt langsam ab.«
    »Gib mir die Lampe«, verlangte Yosef. »Du nimmst den Plan.«
    Nachdem der Austausch vollzogen war, umklammerte Yosef den unteren Teil der Lampe mit beiden Händen und humpelte voran.
    »Einen Moment«, sagte Ari und betrachtete die Karte genauer. »Hast du das hier gesehen?«
    »Was gesehen?«
    »Genau hier. Die Schrift ist arg verblaßt, aber ich glaube, dieser ganze Bereich zählte zu König Edoms Privatgemächern.«
    »Laß mal sehen.« Yosef studierte die Buchstaben, auf die Ari mit seinem schmutzigen Finger deutete. »Kann schon sein. Na und?«
    »Na und? Du wirst wirklich senil. Weißt du nicht mehr, wie Rachel erzählt hat, die Bibliothek, die sie entdeckt hat, als sie mit Adom hier war, hätte sich ganz in der Nähe von Edoms Schlafkammer befunden?«
    Yosef versuchte angestrengt, sich zu erinnern. In letzter Zeit vergaß er oft etwas, aber mit 327 Jahren konnte man von seinem Gedächtnis offenbar keine Höchstleistungen mehr erwarten. Seine Gedanken wanderten zu Adom, Horebs früherem Mashiah, und ein trauriges Lächeln umspielte seine Lippen, als er an diese freundliche, reine Seele dachte. Adom war ein Opfer des blutigen Bürgerkriegs geworden – getötet von Rachel Eloel, um seinen Anhängern den Kampfgeist zu rauben. Adom und Rachel hatten kurz vor Ausbruch des Krieges Zuflucht in den polaren Kammern gesucht. Ja, jetzt erinnerte er sich wieder. Als Rachel von den Büchern erzählte, nach denen Mikael und Sybil immer

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